Vescore Global Market Outlook August 2023

Quantitative Investments
Artikel 5 Minuten

Kurz und bündig

  • Risikoumfeld: Das Umfeld ist mit 2007/08 nicht vergleichbar
  • Wirtschaftsausblick: Noch keine Erleichterung durch die Geldpolitik
  • Aktien: Optimismus, aber mit Vorsicht
  • Anleihen: Restriktive Haltung der US-Notenbank Fed belastet die Anlageklasse


Die Rezession, die nie kam

Investoren, uns eingeschlossen, haben seit 2022 ausgiebig über die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA und der Eurozone geschrieben. Doch bisher ist diese Rezession nicht eingetreten. Zwar kann man sowohl in der Eurozone und als auch in den USA von einer «technischen Rezession»1 in den letzten 12 Monaten sprechen. Aber die breiter gefasste Definition einer Rezession, die in der Regel einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit mit sich bringt, ist bislang nicht erfüllt. Der Hauptgrund dafür ist die Widerstandsfähigkeit der Konsumenten, die während der Coronakrise durch direkte staatliche Hilfsmassnahmen gestützt wurden3. Höhere Ersparnisse machen sie widerstandsfähiger gegen höhere Kreditkosten und steigern insbesondere in den USA die Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung.

Aber das Thema Rezession ist noch nicht vom Tisch. Das liegt vor allem an den vielfältigen Verzögerungen der Geldpolitik3, die ihre volle Wirkung normalerweise erst zwölf Monate nach Aufgleisen der politischen Massnahmen entfaltet4. Wie Abbildung 1 zeigt, bedeutet dies, dass wir erst vor Kurzem in die Phase eingetreten sind, in der politisch bedingte Rezessionen ihre Auswirkungen zeigen. Nach einer monatelangen hohen Aktienallokation haben unsere Modelle Ende Juni begonnen, die Positionen zu reduzieren. Zu dieser Zeit schlug die Fed überraschend restriktive Töne an, nachdem sie den Pausenknopf im Zinserhöhungszyklus gedrückt hatte. Ob sich dies als politischer Fehler herausstellen wird oder nicht, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Unsere Modelle ziehen es jedoch vor, das Engagement in riskanteren Anlagen wie Aktien vorerst zu reduzieren.

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1. Von einer technischen Rezession spricht man, wenn das Wachstum gegenüber dem Vorquartal in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativ ist.
2. Siehe Juli-Ausgabe des Global Market Outlook .
3. Siehe Milton Friedman (1961) «The Lag in Effect of Monetary Policy», Journal of Political Economy, Ausg. 69, Nr. 5.
4. Siehe «What do our models think about recession risks» .

 

Risikoumfeld: Das Umfeld ist mit 2007/08 nicht vergleichbar

Die Juni-Sitzung der Fed führte nur zu einem vorübergehenden Anstieg der Volatilität an den Anleihemärkten, die Anfang Juli rasch wieder abklang. Der Spread zwischen der Volatilität an den US-Aktienmärkten (VIX) und den Anleihemärkten (MOVE) ist jedoch nach wie vor hoch, und das Verhältnis zwischen VIX und MOVE liegt nahe dem Tiefstand der 1990er-Jahre.

Unser Risikomodell SDRM5 vergleicht das aktuelle Umfeld nach wie vor mit den späten 1980er-Jahren. Damals wurden die USA zunächst von einer tiefgreifenden Kredit- und Sparkrise (Ende der 1980er-Jahre) und anschliessend von einer Rezession (1990) heimgesucht. Noch interessanter ist aber vielleicht, dass sich ein Vergleich mit der Weltfinanzkrise von 2007/08 nicht zwingend anbietet. Wie in einer der letzten Ausgaben unseres Marktausblicks6 dargelegt, ist die Anfälligkeit der systemrelevanten Banken seitdem gesunken. Das bedeutet nicht, dass die schwachen Aktivitäten bei Gewerbeimmobilien in den USA und die hohen Leerstandsquoten im Bürosegment keine Auswirkungen haben werden. Doch das Engagement der grossen US-Banken im Bereich der Gewerbeimmobilien ist mit nur 7% ihrer Bilanzsumme moderat. Es sind die kleineren, weniger systemrelevanten Banken, die verstärkt in diesem Segment engagiert sind (29%).

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5. Weitere Informationen zu unserem SDRM-Modell finden Sie unter «Risikomanagement: Vorwärts auf ruhiger See, adaptiv und agil in stürmischen Phasen»
6.Siehe «Anfälligkeit des Bankensektors unter historischem Durchschnitt» in der Ausgabe des Global Market Outlook vom April 2023.

Wirtschaftsausblick: Noch keine Erleichterung durch die Geldpolitik

Die Weltwirtschaft befindet sich nach wie vor in einer Phase des Abschwungs. Nur 40% der über 1200 Zeitreihen, die unser Konjunkturmodell Wave verarbeitet, zeigen gegenwärtig eine positive Wachstumsdynamik. Obwohl das Tempo der Zinserhöhungen zurückgefahren wurde, sind die geldpolitischen Straffungsmassnahmen, die in den USA im März 2022 begannen, noch immer dabei, ihre Wirkung zu entfalten. Das liegt daran, dass es eine Zeit lang dauert, bis geldpolitische Massnahmen voll wirksam werden und sich im System bemerkbar machen. Das ist auch der Grund, warum unser Übergangsmodell, das auf dem realen Geldmengenwachstum basiert, nur eine geringe Chance (7% Wahrscheinlichkeit) sieht, dass die Weltwirtschaft im August das Abschwungszenario verlässt7. Die stärksten Kontraktionssignale kommen nach wie vor aus dem Bankensektor (Abbildung 3).

Entwickelte Märkte: EWWU-Länder in technischer Rezession

Die Industrieländer befinden sich weiterhin im wirtschaftlichen Abschwung. Dabei leiden die zinssensiblen Wirtschaftssektoren wie der Wohnimmobilien- und der Bankensektor8 am stärksten unter der geldpolitischen Straffung. Aufgrund des historisch starken Rückgangs der realen Liquidität (−12% gegenüber dem Vorjahr) ist die Wahrscheinlichkeit einer wirtschaftlichen Erholung im nächsten Monat gering (4%). Sowohl die USA als auch die Staaten der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) befinden sich bereits seit 2022 in einer technischen Rezession, da sie mit dem vierten Quartal 2022 und dem ersten Quartal 2023 das Kriterium zweier aufeinanderfolgender Quartale mit negativem Wachstum erfüllt haben. Die Arbeitsmärkte sind jedoch nach wie vor angespannt. Bisher beschränkt sich die schwache Wachstumsdynamik auf das verarbeitende Gewerbe und hat den Dienstleistungssektor noch nicht erfasst. Der Hauptgrund für diese erstaunliche Widerstandsfähigkeit liegt in der Resilienz der Konsumenten in der Eurozone und den USA9.

Schwellenländer: Stärkere Wachstumsdynamik in LATAM und EMEA

Das Wachstum der Schwellenländer entwickelt sich in den einzelnen Regionen unterschiedlich. Nach einem starken ersten Quartal wurde die Dynamik in Asien von den Schwergewichten China und Indien nach unten gezogen. Hingegen besteht eine anhaltend positive Wachstumsdynamik im Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA; Erholung) sowie in Lateinamerika (LATAM; Expansion). Ein wichtiger Grund für die Abschwächung der Wachstumsdynamik in Asien, die auch auf andere Regionen übergreifen könnte, ist die nachlassende Nachfrage der Industrieländer. Nach einem extrem schwachen April deuten die im Mai und Juni veröffentlichten Wirtschaftsdaten nun auf eine Stabilisierung des Wachstums hin. Insbesondere der Konsum und das Verbrauchervertrauen haben sich erholt.

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7. Weitere Informationen über das Wave-Konjunkturmodell finden Sie in unserem Whitepaper «Die Vescore Wave – ein überlegenes Konjunkturmodell»
8. Siehe das Spezialthema der Juni Ausgabe des GMO für mehr Information zur Immobilienmarktaktivität.
9. Siehe das Spezialthema der Juli Ausgabe des GMO für mehr Information zur Widerstandsfähigkeit des Konsumenten.

Aktien: Optimismus, aber mit Vorsicht

Unser Aktienallokationsmodell GLOCAP hat seine Aktienübergewichtung nach einer maximalen Allokation bis Ende Juni 2023 weiter reduziert (Abbildung 4). Die falkenhaften Töne der Fed führten jedoch zu einem Anstieg der Zinserwartungen und – angesichts der Verlangsamung von Wachstum und Inflation – zu einem steigenden Risiko eines übermässigen Anziehens der Zinsschrauben. In der Folge ist der positive Beitrag des Kreditspreads zur Aktienallokation gesunken, während der Beitrag des TED-Spreads sogar negativ wurde.

Der Beitrag des Term Spreads ist nach wie vor stark positiv, zumal eine Lockerung der Geldpolitik in einem Umfeld mit sinkender Inflation, schwachem Wachstum und steigendem Überstraffungsrisiko wahrscheinlicher wird. Allerdings könnte die Erleichterung später eintreten als erwartet. Der Beitrag der Dividendenrendite bleibt unverändert leicht negativ.

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Anleihen: Restriktive Fed lastet auf Staatsanleihen

Die restriktiven Töne der Fed im Juni haben am Anleihemarkt Spuren hinterlassen und in vielen Ländern zu einem Anstieg der kurzen und langen Enden der Kurve geführt. Unser Fixed-Income-Allokationsmodell FINCA, das Staatsanleihen seit Mai untergewichtet, hat seine Allokation weiter reduziert. Im Moment tragen alle Märkte für Staatsanleihen sowie die Teilstrategien zur Untergewichtung bei, wobei Momentum und Mean Reversion die grössten negativen Beiträge liefern (Abbildung 5).

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