Sind Unternehmensanleihen bereit für eine Erholung in 2023?

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Kurz und bündig

  • Institutionelle Anleger wenden sich wieder Fixed Income zu und setzen als ersten Schritt vermehrt auf Investment-Grade-Unternehmensanleihen.
  • Die Anlage in hochwertige Unternehmensanleihen heisst, in Unternehmen zu investieren, die besser positioniert sind, um einer möglichen Rezession standzuhalten.
  • Wir sind im Hinblick auf die Investment-Grade-Märkte in Europa und den USA angesichts abnehmender Zinsvolatilität – und der aktuellen Bewertungen – weiterhin sehr optimistisch.

Nach der umfassenden Neubewertung im Jahr 2022, dem schlechtesten Jahr für Anleihen überhaupt, könnten Unternehmenstitel nun profitieren.

Im vergangenen Jahr haben institutionelle Anleger Anleihen weitgehend gemieden. Da die Turbulenzen von 2022 überstanden sind und die Notenbanken die Zinserhöhungen offenbar bald abgeschlossen haben, wenden sie sich nun aber wieder Fixed Income zu und setzen als ersten Schritt vermehrt auf Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Dies dürfte sich in geringerer Zinsvolatilität und stabileren Kreditrisiko-Spreads niederschlagen.

Die Anlage in hochwertige Unternehmensanleihen heisst, in Unternehmen zu investieren, die besser positioniert sind, um einer möglichen Rezession standzuhalten. Allerdings ist anzumerken, dass das Wirtschaftswachstum aufgrund der Turbulenzen im Bankensektor im März leicht an Dynamik verloren hat.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich das Wachstum tatsächlich abschwächen wird. Sowohl in den USA als auch in Europa erweist sich der Arbeitsmarkt nach wie vor als recht stabil, was einem möglichen Abschwung entgegenwirken dürfte.

Darüber hinaus haben sich die Kreditrisiko-Spreads erneut verengt und weisen in einigen Fällen ein nahezu rezessives Niveau auf, was zusätzlichen Schutz bietet.

Zudem dürfen Anleger nicht vergessen, dass die Unternehmen seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 ihre Bilanzen gestärkt haben und dementsprechend nun wesentlich besser aufgestellt sind.

Wir bleiben hinsichtlich Unternehmensanleihen zuversichtlich. Sie dürften weiterhin ein sehr attraktives «Carry» bieten. Eine weitreichende Finanzkrise ist nicht zu erwarten, da die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nun auf die Bremse treten dürfte. Ihrem Vorsitzenden Jerome Powell zufolge, könnten strengere Kreditvergabebedingungen den gleichen Effekt haben wie ein oder mehrere Zinsschritte.

In Europa wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen wahrscheinlich weniger stark als weithin erwartet anheben müssen, da die Turbulenzen im Schweizer Bankensektor der europäischen Wirtschaft etwas zugesetzt haben dürften.

Insgesamt sollten umsichtigere Zentralbanken den Anlegern gute Relative-Value-Chancen in unseren Märkten bieten, vor allem dann, wenn sie die Rally zu Jahresbeginn verpasst haben.

Unser «Bond-Cockpit» unterstützt bei der Navigation am Anleihenmarkt

Die nachstehende Grafik bedient sich der Analogie zu einem Cockpit, um die drei Renditemotoren europäischer und globaler Unternehmensanleihen basierend auf den Referenzindizes zu veranschaulichen.

Die Motoren funktionieren so, wie sie es in Zeiten leicht erhöhter Spread-Volatilität tun sollten. Wir waren der Auffassung, dass sich 2023 vom Vorjahr unterscheiden würde, und so ist es interessant zu beobachten, dass sich die Korrelation von Kreditrisiko-Spread und Benchmark-Rendite von Staatsanleihen weiter negativ entwickelt.

Anders als im Jahr 2022 wurde der Spread-Ausweitung im März durch geringere Renditen von Staatsanleihen Einhalt geboten. Dies glich die geweiteten Kreditrisiko-Spreads teilweise aus und sorgte für weiterhin positive Gesamtrenditen.

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Europäische Anleihen mit zahlreichen Chancen

In unserem europäischen Segment lassen wir weiterhin Vorsicht walten. Wir sind jederzeit in der Lage, unsere bestehenden geringfügigen Absicherungen, beispielsweise durch US-Futures und Crossovers, auszubauen, sollten sich die Aussichten für die Wachstumsdynamik eintrüben. Unser Markt preist jedoch Spreads auf nahezu rezessivem Niveau ein. Aus Sicht der Gesamtrendite dürften sich die Kreditrisiko-Spreads gut entwickeln. Ein durchschnittliches Niveau von 180 Basispunkten gilt ausserdem als stabilisierend und im Falle eines sehr schwachen Wachstums in Europa könnten sich die Spreads potenziell um 40 Basispunkte vom aktuellen Niveau verengen.

Es bestehen zahlreiche attraktive Relative-Value-Chancen. Der etablierte europäische Bankensektor nähert sich seinem äussersten Punkt von fast 200 Basispunkten, während die Bereiche Telekommunikation, Versorger und Transport bei etwa 150 Basispunkten weiterhin attraktiv sind. Letztere sind vielversprechender als zyklische Titel mit BBB-Rating, deren Aufschläge sich auf einem historischen Tiefstand befinden.

In Bezug auf nachrangige Titel und AT1-Anleihen bleiben wir sehr optimistisch und rechnen mit einer weiteren Erholung der Spreads von den geringen Bewertungen im März (zum Redaktionsschluss lag die Verengung der Spreads bei 80 Basispunkten).

Optimistisch sind wir insbesondere, da Banken wie die Deutsche Bank angekündigt haben, im März 2023 eine ihrer Tier-2-Anleihen zu unwirtschaftlichen Bedingungen zu kündigen. Auch UniCredit bestätigte eine anstehende Kündigung und erhielt die Genehmigung der EZB für einen Aktienrückkauf in Höhe von über EUR 3 Milliarden. Solche Massnahmen tragen dazu bei, das Vertrauen in das AT1-Segment wiederherzustellen und die Spread-Erholung weiter voranzutreiben. Bei hybriden Industrieanleihen gehen wir davon aus, dass sie indirekt von der AT1-Volatilität im März und dem Ausfall der Credit Suisse profitieren werden, da sie für bestimmte Anleger nun die bevorzugte Alternative zu AT1-Anleihen sind.

Nachfrage nach hochwertigen globalen Anleihen bleibt hoch

Globale Investment-Grade-Unternehmensanleihen aus Industrieländern starteten phänomenal in das Jahr 2023. Anleger investierten Rekordsummen in hochwertige Unternehmenstitel.

Dieser Trend ist angesichts der Sorgen um regionale US-Banken etwas abgeflaut. Grundsätzlich ist der gesamte US-Bankensektor unseres Erachtens aber in der Lage, Schwankungen wie im März standzuhalten. Ist die Volatilität erst einmal verarbeitet, dürften die geweiteten Kreditrisiko-Spreads neues Interesse an globalen Anleihen wecken. Im März wurden wesentlich weniger Unternehmensanleihen ausgegeben. Das Emissionsvolumen dürfte aber in den kommenden Wochen wieder steigen.

Angesichts der erhöhten Renditen und geweiteten Spreads bietet der Markt unserer Auffassung nach eine zunehmend stärkere Streuung. Nach fast zehn Jahren wurden die Kreditrisiko-Spreads in jüngster Zeit auch ausserhalb des neunzigsten Perzentils gehandelt. Bei einigen Teilsektoren wie Finanz- gegenüber Nicht-Finanzwerten fiel die Handelsspanne so breit aus wie seit mehreren Jahren nicht mehr. Insgesamt dürfte dies kurzfristig das Interesse an der Anlageklasse stärken, bevor die neuesten makroökonomischen Daten ein klareres Bild ergeben.

Mit globalen BBB-Anleihen Wertpotenzial erschliessen

Nach unserer Überzeugung können Investoren mit globalen Investment-Grade-Anleihen ein grosses Wertpotenzial und hohe Gesamtrenditen erschliessen.

Bei Investment-Grade-Portfolios bevorzugen wir das BBB-Segment. Hier erzielen Anleger tendenziell attraktive Risikoprämien – im Wissen, dass Unternehmen üblicherweise bestrebt sind, ihr Rating zu halten oder zu verbessern.

Eine Herabstufung von Investment Grade zu High Yield ist in der Regel mit einem deutlichen Anstieg der Refinanzierungskosten verbunden. Unternehmen neigen dazu, dieses Risiko möglichst zu vermeiden. Es liegt daher an uns, sicherzustellen, dass wir bei Anlagen in Anleihen nicht auf einen «Fallen Angel» stossen. Das ist eines der Risiken, auf die Anleger achten müssen. Derzeit beobachten wir jedoch keine wesentlichen M&A-Aktivitäten, die häufig ein wichtiger Grund für Ratingherabstufungen sind.

Ausserdem stellen höhere Zinsen und Renditen momentan kein grosses Risiko für gut bewertete Unternehmen dar. Dies weil die sogenannte Zinsdeckungsquote – die Fähigkeit, Kupons auf ausstehende Anleihen zu zahlen – so hoch ist wie nie.

 

 

 

 

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