Weshalb Anleger bei Aktien von Verbrauchsgüterfirmen selektiver sein sollten

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Im Geschäft mit Herrenrasierern war Gillette lange unangefochtener Marktführer. Dank Innovationen wie dem Dreiklingen-Rasierer Mach 3 gefolgt von dem Fünfklingen-Rasierer Fusion und mit einem übermächtigen Marketingbudget belief sich der Marktanteil der Division von Procter & Gamble im Jahr 2010 auf 70% des US-Markts.1 Doch im Jahr 2016 war Gillettes Anteil auf 54% gefallen.2

Diese Entwicklung war ein Warnsignal für alle grossen Verbrauchsgüterhersteller. Was war passiert? Zwei Start-ups im Segment für Rasierer hatten Gillette eiskalt erwischt: Mit ausschliesslich online erhältlichen Modellen und einem bequemen Abomodell waren Harry’s und Dollar Shave Club für einen Grossteil der Marktverluste von Gillette verantwortlich3.

Der Aufstieg dieser Start-up-Marken unterstreicht einen gewaltigen Umbruch in der Verbrauchsgüterindustrie in der letzten Dekade. Viele Hersteller von Verbrauchsgütern, die jahrzehntelang durch grosse Budgets für Fernsehwerbung und einen festen Platz im Ladenregal geschützt waren, mussten zusehen, wie ihre einst sicheren Markteintrittsbarrieren nachgaben. Unterstützt durch Social Media, E-Commerce, Auftragsfertigung und dem zunehmenden Bedürfnis ehemals treuer Einzelhändler, interessantere Produkte zu verkaufen, machen Start-up-Marken nach und nach bestehenden Verbrauchsgüterherstellern Marktanteile streitig.

Aber auch die Einzelhändler, ausgestattet mit ihren eigenen Verbraucherdaten, wollen sich ein Stück des Kuchens sichern. Sie lancieren heute deutlich ausgereiftere Eigenmarken, die Herstellermarken in puncto Qualität und Innovation in nichts nachstehen – oder diese sogar übertreffen. Und auch der Markenwert ihrer Eigenprodukte steht dem der Konkurrenz bisweilen in nichts nach. Nehmen wir die Costco-Marke Kirkland als Beispiel. Mit einem Jahresumsatz von 52 Milliarden US-Dollar würde die Marke eine Marktkapitalisierung von 76 Milliarden US-Dollar aufweisen, wenn sie einzeln bewertet würde.4 Dies entspricht der Hälfte der Gesamtbewertung von Costco.

Als die Barrieren der Big Player fielen, wurden viele von ihnen auf dem falschen Fuss erwischt. Einige Unternehmen haben sich jedoch in den vergangenen Jahren weitaus schneller anpassen können. Aus diesem Grund müssen Anleger bei der Auswahl von Verbrauchsgüteraktien weitaus selektiver vorgehen. Um in diesem neuen Umfeld erfolgreich zu sein, müssen etablierte Verbrauchsgüterhersteller mehr Flexibilität zeigen und ihr Markenportfolio aktiver steuern. Das bedeutet, dass sie sich schneller von Nachzüglern trennen und bei kleineren Marken zugreifen sollten, um der mit diesen Akteuren verbundenen Bedrohung frühzeitig zu begegnen. Gleichzeitig dürfen sie die Maximierung des Shareholder Value nicht aus den Augen verlieren. Zudem gilt es, die Bedürfnisse der Verbraucher mithilfe digitaler Technologien zu ermitteln. Nestlé ist ein Beispiel für einen Verbrauchsgüterhersteller, der all diese Massnahmen ergriffen hat. .

Unserer Ansicht nach spielen sorgfältig ausgewählte Verbrauchsgüterhersteller weiterhin eine wichtige Rolle bei der Portfoliokonstruktion, da sie einen erheblichen Schutz bei Konjunkturschwierigkeiten bieten. Die Zeiten, in denen Anleger blindlings einen bekannten Hersteller auswählen konnten, sind jedoch längst vorbei. In den vierzig Jahren bis zum Jahr 2010 übertraf diese Gruppe mit einer Ausnahme jeden Unternehmenssektor im S&P 500 Index.5 Im letzten Jahrzehnt blieb die Gruppe jedoch in jedem Jahr zwei Prozentpunkte hinter dem Index zurück.6

Man muss sich nur das Wachstum der kleinen Marken und der Eigenmarken ansehen, um den Grund dafür zu finden. Mit Stand Anfang 2016 machten die grossen Marken 50% des Umsatzes mit Verbrauchsgütern aus, doch bis zum Jahr 2020 steuerten sie nur 25% zum Branchenwachstum bei.7 Kleine Marken waren dagegen nur für 32% des Umsatzes im Jahr 2016 verantwortlich, trugen jedoch im selben Zeitraum 45% zum gesamten Umsatzwachstum in der Verbrauchsgüterbranche bei, also fast doppelt so viel wie die grossen Marken.8 Auf Eigenmarken entfielen 2016 18% der Umsätze mit Verbrauchsgütern. Allerdings trugen Eigenmarken 30% zum Wachstum bei und übertrafen damit ebenfalls die grossen Marken.9

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Social Media, E-Commerce und Auftragsfertigung öffnen kleinen Marken die Tür

Das Internet und das Aufkommen von E-Commerce und sozialen Medien öffneten kleineren Marken die Tür. Diese Faktoren räumten die Barriere enormer Budgets für Fernsehwerbung und vorteilhafter Regalplatzierungen aus, die die grossen Marken der Verbrauchsgüterhersteller schützte. Angesichts dieser Hindernisse war der Markteintritt für kleine Marken zuvor zu kostspielig gewesen. Dank der zunehmenden Verbreitung der sozialen Medien konnten Start-up-Marken ihre Bekanntheit jedoch durch geschicktes Storytelling kostenlos steigern. Durch digitale Werbung konnten sie ein deutlich gezielteres Publikum zu einem Bruchteil der Ausgaben für traditionelle Werbung erreichen. Der Einzelhandel wurde schlicht umgangen. Start-ups konnten ihre Produkte auf ihren eigenen E-Commerce-Seiten oder auf Plattformen wie Amazon verkaufen.

Als das Start-up Quip Ende 2015 seine elegante und kompakte elektrische Zahnbürste vorstellte, erstellte es eine Homepage auf Facebook, um seine Brand Story zu präsentieren und eröffnete zeitgleich eine eigene E-Commerce-Website für den Verkauf des Produkts. Das Unternehmen wendete nur einen äusserst geringen seines Gesamtbudgets von 300’000 US-Dollar für Facebook-Anzeigen auf, um Website-Traffic zu generieren.10 Für einen traditionellen 30-sekündigen TV-Spot bei einem landesweiten Sender hätte Quip mehr als ein Drittel dieses Budgets bzw. 115’000 US-Dollar ausgeben müssen, wobei die Produktionskosten noch nicht berücksichtigt sind.11 Quip verkaufte im ersten Jahr 100’000 Zahnbürsten.12 Heute zählt das Unternehmen fünf Million Kunden.13 «Facebook beseitigt sämtliche Eintrittsbarrieren für kleine Unternehmen», so Shane Pittson, Head of Marketing bei Quip.

Es hat sich eine Teilindustrie gebildet, die auf die Bedürfnisse kleiner Marken eingeht und sie bei ihrem Wachstumskurs unterstützt. So sind Auftragshersteller wie die International Products Group (IPG) in Cleveland entstanden. Das von einer ehemaligen Führungskraft von L’Oreal gegründete Unternehmen zielt auf kleine Marken im Bereich Körperpflege und Beauty ab. IPG erwirbt eine Beteiligung an aus seiner Sicht vielversprechenden Marken und bietet Unterstützung bei Produktdesign und Marketing. Darüber hinaus gibt es Produktvermittlungsunternehmen wie Bdirect Cos. aus Los Angeles, die kleineren Marken Starthilfe beim Verkauf ihrer Produkte auf Amazon und an Einzelhandelsketten bieten. Diese Unternehmen stellen Marken externe Managementexpertise bereit. Ausserdem sind sie mit Private-Equity-Firmen verknüpft, die in diese Marken in der mittleren Entwicklungsphase investieren. Und sie verfügen über Kontakte zu grossen Verbrauchsgüterherstellern wie Unilever, die nur darauf warten, erfolgreiche kleine Marken aufzukaufen, wenn sie eine bestimmte Umsatzschwelle überschreiten. So kaufte beispielsweise Unilever den Hersteller pflanzenbasierter Reinigungsprodukte Seventh Generation für rund 700 Millionen US-Dollar aus dem Markenportfolio von Bdirect. Dr. Pepper Snapple kaufte die Getränkemarke Bai für 1,7 Milliarden US-Dollar.

Tatsächlich ist die Hoffnung auf einen lukrativen Weiterverkauf der Hauptfaktor für die Gründung von Start-up-Marken. Während rund 80% neuer Verbrauchsgüter scheitern, nimmt die Zahl an Start-ups zu, wie die Anzahl der Aussteller auf der grössten Messe für kleine Marken in den USA zeigt.14 Auf der Fachmesse Natural Products Expo West 2019, der letzten vor der Pandemie, waren insgesamt 3’600 Aussteller vertreten. Dies waren fast doppelt so viele wie 2010. Für die meisten grossen Marken bedeuten aufstrebende kleine Marken so etwas wie einen «Tod auf Raten». Die meisten dieser Marken scheitern, doch ihre Zahl nimmt zu, und sie tragen die Margen der grossen Marken Schritt um Schritt ab.

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Die neue Generation im Visier –mit digitalen Angeboten und Verbraucherdaten

Kleine Marken verfügen über Wettbewerbsvorteile gegenüber Herstellermarken. Da die meisten Start-up-Marken auf digitale Vertriebsmodelle und Marketingkanäle setzen, erreichen sie junge Konsumenten, die im Netz nach neuen, einzigartigen Produkten suchen, besser als traditionelle Hersteller. Die Generation der Babyboomer, die sich zögerlicher auf das Internet einstellen, sind nach wie vor die wichtigsten Kunden etablierter Marken. Dies stellt für alteingesessene Verbrauchsgüterhersteller ein Dilemma dar. Wenn sie einen grösseren Teil ihres Werbebudgets vom Fernsehen in den digitalen Bereich verlagern, riskieren sie, ihre Hauptkunden zu verlieren. TiVo Research schätzt, dass jede Kürzung des Fernsehbudgets um einen US-Dollar für traditionelle Hersteller mit einem Einnahmenverlust von drei US-Dollar einhergeht.15 Kleinere Marken haben somit einen Vorteil beim Kampf um die nächste Käufergeneration.

Digitale Marketing- und Vertriebskanäle bieten kleinen Marken jedoch einen weiteren, noch grösseren Vorteil: detaillierte Informationen über ihre Kunden. Grosse Marken, die ihre Waren im stationären Handel vertreiben, erhalten nur wenige dieser Daten, da Einzelhändler sie nur sehr ungern herausgeben. Ohne diese Informationen ist es für grosse Verbrauchsgüterhersteller schwieriger, neue, massgeschneiderte Produkte zu entwickeln oder neue Produktgelegenheiten aufzudecken.

Als Gautam Gupta im Jahr 2012 das auf gesunde Snacks spezialisierte Unternehmen Nature Box gründete, sah er eine Marktlücke. Die grossen Snackhersteller stellten ihr Sortiment nur langsam auf eine gesündere Ausrichtung um. Guptas Angebot richtete sich gezielt an Kunden im Alter von 30 bis 35 Jahren, die neuen Marken offener gegenüberstehen und online danach suchen. «Ältere Konsumenten bleiben eher den grossen Marken treu, doch jüngere Käufer wenden sich ab», so Gupta. Er startete den Verkauf über seine eigene Website, Naturebox.com, und nutzte Auftragsfertiger, um die Investitionsausgaben zu senken. Durch eine genaue Analyse der Verkaufsdaten der Website konnte Gupta erkennen, welche Snacks bei seinen Kunden ankamen – und welche nicht. Er verwendete diese Daten zur Entwicklung noch attraktiverer Snacks. Zudem bat das Unternehmen die Kunden auf seiner Website nach Produktideen, was ihnen ein Gefühl der Teilhabe vermittelte und sie stärker an die Marke band.

Anschliessend begann Nature Box seine Produkte im stationären Handel zu platzieren – eine Entwicklung, die sich zum Leidwesen der grossen Marken immer häufiger vollzieht. Nature Box verdankt seinen Erfolg als Marke dem Online-Vertrieb. Als Gupta seine Produkte grossen Einzelhändlern vorstellte, konnte er ihnen sogar aufzeigen, wie gut sich seine Snacks in unterschiedlichen Regionen verkauften. Dadurch mussten die Einzelhändler nicht erst überlegen, welche Produkte sie in welchen Regionen anbieten würden. Dies machte die Marke noch attraktiver. Nun ist Nature Box in landesweiten Ketten wie Target und Kroger ebenso zu finden wie in regionalen Ketten wie Wegmans im Nordosten der USA und HEB in Texas.

Fakt ist, dass grosse Einzelhändler zunehmend auf kleinere Marken setzen. Die etablierten Marken kann jeder Einzelhändler ins Sortiment nehmen, und darin liegt das Problem. Wenn ein Händler diese Marken führt, hebt er sich in keiner Hinsicht von anderen Händlern ab und kann Kunden nur über Preissenkungen anlocken. Durch die Aufnahme kleiner Marken können Einzelhändler ihr Warenangebot abwechslungsreicher gestalten. Zudem sind diese Produkte oftmals innovativer als die grosser Marken, und der Händler erzielt eine höhere Marge. Target war der erste Einzelhändler, der diese Strategie verfolgte. Im Jahr 2016 wurden Rasierer und Klingen von Harry’s in das Sortiment aufgenommen.16 In den letzten fünf Jahren kamen über 100 kleine Marken hinzu, darunter auch Quip17. Walmart und Kroger gehen einen ähnlichen Weg.

Auch Eigenmarken machen alteingesessenen Marken das Leben schwer

Doch nicht nur kleine Marken machen etablierten Verbrauchsgüterhersteller das Leben schwer – auch die Eigenmarken der Einzelhändler sind auf dem Vormarsch. Einzelhändler betrachten Eigenmarken nicht mehr nur als billigere Alternative zu Markenprodukten, mit denen sie höhere Bruttomargen erwirtschaften können. Sie sehen darin eine Strategie, ihr Sortiment zu differenzieren und die Kundenbindung zu erhöhen. Erforderlich wurde dies durch die Online-Konkurrenz sowie durch den Druck im gesättigten stationären Einzelhandel, in dem die Unterschiede zwischen grossen Ketten nur mehr marginal sind. Doch auch die Hersteller von Verbrauchsgütern trifft eine gewisse Schuld. Auf die Umsatzrückgänge im vergangenen Jahrzehnt haben sie grösstenteils mit Preiserhöhungen zur Umsatzsteigerung reagiert. Dadurch boten sich bessere Chancen für Einzelhändler, Herstellermarken mit günstigeren Preisen unter Druck zu setzen.

Unterstützt durch ihre eigenen Verbraucherdaten entwickeln Einzelhändler ihre Marken nun mit der gleichen Perfektion wie Konsumgüterhersteller. So griff der Discounter Target bei der Einführung seiner gesundheitsbewussten Lebensmittelmarke Good & Gather auf zahlreiche Datensätze zurück.18 Die wichtigste Erkenntnis war, dass die Besucher von Target unter «gesund» hauptsächlich den Verzicht auf künstliche Aromen, synthetische Farbstoffe, künstliche Geschmacksstoffe und Maissirup mit hohem Fruktosegehalt verstanden.19 Das mit dem Werbeslogan «A new way to eat well every day» eingeführte Clean-Label-Angebot mit 650 Produkten erzielte im ersten Jahr einen Umsatz von einer Milliarde US-Dollar.20 Ein solches Wachstum wäre für jede Produktlancierung eines Konsumgüterunternehmens ein bombastischer Erfolg.

Der Erfolg von Target ist kein Einzelfall. Die 2012 eingeführte Bio-Lebensmittellinie Simple Truth von Kroger erzielte in den ersten drei Jahren einen Umsatz von 1,6 Milliarden US-Dollar.21 Der Lebensmitteleinzelhändler mit dem höchsten Wachstumstempo in den USA, der deutsche Discounter Aldi, verkauft in seinen über 2000 Filialen fast ausschliesslich Eigenmarken. Die ebenfalls in deutschem Besitz befindliche Kette Trader Joe’s verfährt ähnlich. Nach der Neueinführung im Jahr 2009 konnte Walmart den Umsatz seines Great-Value-Angebots an Lebensmitteln und Haushaltsprodukten beinahe verdreifachen und lag im Geschäftsjahr 2020 bei rund 27 Milliarden US-Dollar.23 Auch die Marke Kirkland von Costco verdreifachte ihren Umsatz in diesem Zeitraum auf 52 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Procter & Gamble benötigte 65 Marken im Geschäftsjahr 2020, um einen Umsatz von 71 Milliarden US-Dollar zu erzielen. Das Wachstum von Kirkland ging allerdings auf Kosten der von Costco vertriebenen Herstellermarken. In den letzten zehn Jahren stieg der Anteil von Kirkland am Gesamtumsatz der Costco-Filialen von 20% auf 32%.24

Eigenmarken stehen Herstellermarken in Sachen Markenwert in nichts mehr nach und sind mehr als nur generische Kopien. Einer Umfrage aus dem Jahr 2020 zufolge denken 89% der Verbraucher, dass Eigenmarken genauso gut oder besser als Herstellermarken sind25 (2019: 85%).26 So schlug der Speck der Marke Kirkland von Costco beispielsweise14 andere Herstellermarken bei Blindverkostungen,27 und die drei Eigenmarken von Kroger schneiden bei den Net Promoter Scores durchweg besser ab als die Herstellermarken der Konkurrenz.28 Die Eigenmarken haben den Qualitätsvorsprung der Herstellermarken aufgeholt und sind überdies um durchschnittlich 29% billiger.29

Nestlé – aktive Umstellung auf das neue Umfeld

Angesichts dieser ungünstigen Entwicklungen sind Investitionen in die Verbrauchsgüterindustrie heute kein Selbstläufer mehr. Ein Bottom-up-Ansatz ist bei der Auswahl von Aktien von Konsumgüterunternehmen angebrachter denn je. Wir haben es aufgrund des Aufstiegs erfolgreicher kleiner Marken und Eigenmarken mit einer Branche im Wandel zu tun. Einige grosse Marken können sich jedoch weiterhin behaupten. Unserer Einschätzung nach gehören dazu Unternehmen wie Nestlé, die diesem neuem Wettbewerbsumfeld aktiv begegnen.

In den vergangenen fünf Jahren hat Nestlé sein Produktportfolio angesichts des veränderten Umfelds deutlich bereinigt. So trennte sich Nestlé von seinen Marken für abgefülltes Wasser im unteren Preissegment, in dem ein Viertel des Markts von Eigenmarken kontrolliert wird.30 Ausschliesslich Premium-Wassermarken wie San Pellegrino wurden beibehalten, da diese aufgrund ihrer starken Markennamen gegenüber der Konkurrenz durch Eigenmarken robuster sind. Gleichzeitig verkaufte Nestlé sein Geschäft mit Hautpflegeprodukten, um sich auf sein Kerngeschäft mit Lebensmitteln zu konzentrieren, und ging Joint Ventures für den Bereich Speiseeis und sein europäisches Geschäft mit Aufschnitten ein.

Während sich Nestlé von schwächelnden Bereichen trennt, kauft das Unternehmen aufstrebende Marken in schnell wachsenden, neuen Kategorien auf. Im Jahr 2017 erwarb das Unternehmen Sweet Earth, das zahlreiche vegane Tiefkühlgerichte im Segment pflanzlicher Fleischalternativen herstellt und ein zweistelliges Wachstum verzeichnet.31 Dabei verzichtete Nestlé auf den Austausch des Managements von Sweet Earth, um die Unternehmerkultur des Unternehmens beizubehalten, stellte jedoch gleichzeitig zusätzliche Produktionskapazitäten für ein schnelleres Wachstum zur Verfügung. Parallel dazu werden grössere Kapitalbeträge in Kategorien verlagert, die ein höheres Wachstumstempo aufweisen und in denen die Abgrenzung von Eigenmarken leichter vonstattengeht. Dies zeigt sich im Bereich Vitamine, Mineralien und Nahrungsergänzungsmittel durch Übernahmen von Atrium, Vital Proteins und Marken von The Bountiful Company. Auch im Kaffeesegment, wo Nestlé mit den Rechten an Starbucks ausserhalb der Starbucks-Filialen bereits weltweit führend war, wird dies deutlich.

Nestlé versucht zudem, seine digitalen Fähigkeiten mit Blick auf jüngere Konsumenten zu verbessern. Das Unternehmen hat erheblich in interne IT-Systeme investiert, um Verbraucherdaten aller Marken zu gewinnen und so die Produktentwicklung und das Marketing zu verbessern. Dadurch kann die «Datenlücke» gegenüber Einzelhändlern ausgeglichen werden. Nestlé erwarb zudem die ausschliesslich online verfügbare Marke Persona, die personalisierte Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, sowie Tails.com, einen Hersteller individueller Nahrung für Haustiere. Beide Unternehmen verkaufen ihre Produkte im Rahmen eines Abomodells auf ihren eigenen Websites direkt an die Verbraucher, wodurch Nestlé über eine weitere wichtige Datenquelle verfügt. Gleichzeitig haben die Übernahmen und umfassenden Investitionen zur Verbesserung der Online-Umsätze und -Kapazitäten von Nestlé geführt. Der Anteil am Gesamtumsatz stieg von 5% im Jahr 201632 auf einen hohen einstelligen Prozentsatz im Jahr 2019 und ebnete den Weg für den COVID-19-bedingten Anstieg auf 13% im Jahr 202033 – ein Wert, der sich 2021 weiter verbesserte. Dadurch erreicht Nestlé jüngere Konsumenten. Ausserdem ist Nestlé sehr aktiv im ESG-Bereich, was die Bindung zur jüngeren Generation weiter erhöht.

Nestlé ist ein Beispiel dafür, wie sich ein Verbrauchsgüterhersteller erfolgreich anpassen kann. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass die Aktie bei Verkaufswellen wie während der Finanzkrise oder dem Covid-19-Schock nach wie vor Schutz vor Verlusten bietet.

Fazit

Wie in vielen anderen Bereichen haben auch die Markteintrittsbarrieren der Konsumgüterbranche in den letzten zehn Jahren zu bröckeln begonnen. Veränderungen bei Medienkonsum, Kaufverhalten, Herstellungsprozessen und Markenbindung haben einstige Marktregeln ausser Kraft gesetzt. Ohne Übertreibung lässt sich feststellen, dass die Branche vor zehn Jahren zum Grossteil noch nicht bereit war, sich dieser Herausforderung zu stellen. Seitdem haben einige Player sich angepasst, andere sind auf der Strecke geblieben.

Für Quality-Growth-Manager bedeutet dies, dass das investierbare Universum in der Verbrauchsgüterbranche um einiges kleiner geworden ist. Ohne die erforderlichen Veränderungen kann selbst bei einst mächtigen Konsumgüterunternehmen nicht einmal ein geringes Wachstum erwartet werden. Anleger können nicht einfach einen ETF kaufen, um ein Engagement in diesem jahrzehntelang krisensicheren Sektor einzugehen. Stattdessen müssen Anleger die Transformationsmassnahmen jedes Unternehmens genau betrachten und sollten sich nicht auf die robusten Zahlen der Vergangenheit verlassen. Die Unternehmen müssen agiler werden und neue Wege bei Medien- und Datennutzung sowie Produktionstechnik gehen. Marken müssen über Alleinstellungsmerkmale verfügen und innovativ genug sein, um sich gegenüber neuen Mitbewerbern zu behaupten.

 

 

 


 

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Einige der in diesem Viewpoint enthaltenen Angaben basieren auf zukunftsgerichteten Aussagen, Informationen und Meinungen, einschliesslich Beschreibungen erwarteter Veränderungen an den Märkten und Erwartungen künftiger Aktivitäten.  VAMUS vertritt die Auffassung, dass diese Aussagen, Informationen und Meinungen auf angemessenen Schätzungen und Annahmen beruhen.  Zukunftsgerichtete Aussagen, Informationen und Meinungen sind jedoch naturgemäss ungewiss, und die tatsächlichen Ereignisse oder Ergebnisse weichen unter Umständen wesentlich von jenen ab, die in den zukunftsorientierten Aussagen erwähnt werden. Daher wird davon abgeraten, sich in unangemessener Weise auf die besagten zukunftsgerichteten Aussagen, Informationen und Meinungen zu verlassen.

1. Andrew Menke, Global Edge, 1/27/2020, “The Not so Smooth Future of the Global Razor Market”
2. Sharon Terlep, Wall Street Journal, 4/4/2017, “Gillette, Bleeding Market Share, Cuts Prices of Razors”
3. Sharon Terlep, Wall Street Journal, 4/4/2017, “Gillette, Bleeding Market Share, Cuts Prices of Razors”
4. Michael Lasser, UBS, 3/22/2019, “UBS Evidence Lab inside: COST/BJ/Sam’s – Deep Dive Into The Clubs”
5. Udo Kopka, Eldon Little, Jessica Moulton, Rene Schmutzler, and Patrick Simon, McKinsey & Company, 7/30/2020, “What got us here won’t get us there: A new model for the consumer goods industry”
6. Udo Kopka, Eldon Little, Jessica Moulton, Rene Schmutzler, and Patrick Simon, McKinsey & Company, 7/30/2020, “What got us here won’t get us there: A new model for the consumer goods industry”
7. Udo Kopka, Eldon Little, Jessica Moulton, Rene Schmutzler, and Patrick Simon, McKinsey & Company, 7/30/2020, “What got us here won’t get us there: A new model for the consumer goods industry”
8. Udo Kopka, Eldon Little, Jessica Moulton, Rene Schmutzler, and Patrick Simon, McKinsey & Company, 7/30/2020, “What got us here won’t get us there: A new model for the consumer goods industry”
9. Udo Kopka, Eldon Little, Jessica Moulton, Rene Schmutzler, and Patrick Simon, McKinsey & Company, 7/30/2020, “What got us here won’t get us there: A new model for the consumer goods industry”
10. Elizabeth Segran, Fast Company, 04/03/2018, “This Startup Built Its Brand On Facebook. Now It Can Never Leave.”
11. Kelly Main, Fit Small Business, 01/21/2021, “Everything You Need to Know About TV Advertising Costs”
12. Paul Sawers, Venture Beat, 11/1/2017, “Toothbrush subscription service Quip raises $10 million”
13. Diana Pearl, Adweek, 12/3/2020, “Quip Expands Into Gum With Its First Major Product Extension”
14. Katy Askew, Food Navigator, 3/18/2019, “Most new products fail: Implicit sensory testing can help beat the odds”
15. EGTA, 3/2017, “Decreased TV advertising spend hurts sales”
16. Target Corporate Release, A Bullseye View, 8/3/2016, “Harry’s is Coming to Target! The Shave Brand’s Co-CEOs and Target’s John Butcher Talk Shop”
17. Target Accelerators Programs Alumni
18. Jessica Dumont, Grocery Dive, 9/16/2019, “Target looks to Good & Gather to define grocery business”
19. Category Management Association, 10/4/2019, “We Unpack Stephanie Lundquist’s Landmark Keynote and the New Brand Launch”
20. Category Management Association, 10/4/2019, “We Unpack Stephanie Lundquist’s Landmark Keynote and the New Brand Launch”
21. Eric Schroeder, Food Business News, 6/28/2021, “Kroger exec: ‘We go to market in a variety of ways’”
22. Mike Troy, Progressive Grocer, 8/17/2020, “Aldi CEO on Being America’s Fastest Growing Grocer”
23. Jack Neff, AdAge, 9/7/2009, “Why Walmart’s Great Value Changes The Game”
24. Geschäftsbericht Costco 2020
25. Daymon Private Brand Intelligence Report 2020, 8/2020, “The Future of Private Brands”
26. Krishna Thakker, Grocery Dive, 4/12/2019, “Shoppers want more premium private label products, report says”
27. Consumer Reports, 9/2013, “Which brand is making the best bacon”
28. Kroger Investor Meeting, 11/5/2019
29. Hannah Karp, Wall Street Journal, 1/31/2012, “Store Brands Step Up Their Game, and Prices”
30. Agriculture and Agri-Food Canada Global Database, 5/2020, “Sales of branded and private label flavored water in the United States in 2019”
31. PR Newswire, 3/16/2021, “Plant-based Meat Market Size To Reach $13.8 Billion By 2027, Owing To Rising Adoption Of Vegetarian Eating Habits Among Fitness Aware Consumers | Million Insights”
32. Nestlé Geschäftsergebnis 2016, Pressemitteilunge
33. Nestlé Geschäftsergebnis 2020, Pressemitteilung

 

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