Darum sollten geldpolitische Fehlentscheide 2022 ganz oben auf Ihrer Sorgenliste stehen

TwentyFour
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Nach Jahrzehnten der Sorge über zu wenig Inflation stecken Notenbanker nun in einer Zwickmühle, da die Wiederöffnung der Weltwirtschaft nach der Pandemie zu anhaltenden Preissteigerungen führt.

Angesichts eines Anstiegs der Konsumentenpreise – die Teuerung in den USA liegt bei der kritischen Marke von 7%, in der Eurozone bei 5,1% und in Grossbritannien bei 5,4% – haben Anleger die Zuversicht verloren, dass die weltweite Rückkehr der Inflation lediglich vorübergehend ist. Infolgedessen sind die Renditen von Staatsanleihen in die Höhe geschnellt: Die Renditen zehnjähriger US-Treasuries haben im Januar ein Zweijahreshoch erreicht. Auch auf den Märkten für Unternehmensanleihen ist es zu Verlusten gekommen.

Die Zentralbanken haben wenig Handlungsspielraum, was unserer Ansicht nach die Möglichkeit eines potenziell verheerenden geldpolitischen Fehlentscheids im Jahr 2022 erhöht. Aber warum könnte ein solcher Fehler für Fixed-Income-Anleger so gefährlich sein? Und wie können wir ein Portfolio vor diesem Risiko schützen?

Looking at some famous central bank policy errors, we can highlight some of the potential issues.

2013 – die Fed und das «Taper Tantrum»

Im Zuge der globalen Finanzkrise stützte die US-Notenbank Fed die Märkte durch den Kauf von US-Staatsanleihen und anderen Vermögenswerten in Höhe von rund 2 Billionen US-Dollar. Zu diesem Zeitpunkt war die sogenannte quantitative Lockerung (QE) als mehrjähriges geldpolitisches Instrument ein neuer Ansatz, der die Bilanz der Zentralbank im Vergleich zur Zeit vor 2008 verdreifachte. Im Mai 2013 deutete der damalige Fed-Vorsitzende Ben Bernanke an, dass die Fed damit beginnen würde, das Tempo ihrer Anleihekäufe zu drosseln («Tapering»). Für dieses Kurswechsel wurde kein Datum genannt, doch da die Marktteilnehmer sich an die Unterstützung der Fed gewöhnt hatten (bzw. darauf angewiesen waren), reagierte der Anleihenmarkt negativ: Die Renditen zehnähriger Treasuries schnellten nach oben und erreichten im September 3% im Vergleich zu 1,92% vor der Ankündigung.

Zwar normalisierten sich die Renditen der US-Treasuries relativ schnell – sie fielen sogar, während die Fed zwischen Dezember 2013 und Oktober 2014 ihre Anleihekäufe tatsächlich drosselte –, doch da war der Schaden bereits angerichtet. Betroffen von den Auswirkungen waren sämtliche Werte von Investment-Grade-Unternehmensanleihen bis hin zu Anleihen aus Schwellenländern. Die Marktturbulenzen dürften auch ein Grund dafür gewesen sein, dass die Fed den Beginn des Tapering verschob – ein Luxus, den sich eine Zentralbank nicht immer leisten kann.

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Quelle: TwentyFour, Bloomberg, Februar 2022


2008 – die fatale Zinsanhebung der EZB

Was eine einseitige Fixierung auf Inflation in der Geldpolitik anrichten kann, wurde beispielsweise im Juli 2008 deutlich. Zwar stand die globale Finanzkrise zu diesem Zeitpunkt noch am Anfang, doch der Markt für Unternehmensanleihen war fast zum Erliegen gekommen und das Konjunkturwachstum in Europa war nur knapp positiv. Sowohl die US Federal Reserve als auch die Bank of England (BoE) hatten auf die aufkommende Krise mit mehreren Zinssenkungen reagiert – ein gängiges Instrument zur Stützung der Wirtschaft in einem Abschwung. Die Inflation in der Eurozone lag mit 4% jedoch doppelt so hoch wie das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB), weshalb EZB-Präsident Jean-Claude Trichet entschied, den Leitzins um 0,25% auf 4,25% anzuheben.

Diese offensichtliche Missachtung der angespannten Situation auf den Finanzmärkten ging vermutlich auf den starken Einfluss Deutschlands innerhalb der EZB und die deutsche Geschichte zurück: Aufgrund der dramatischen Hyperinflation, die die Weimarer Republik in den 1920er Jahren erschütterte, sitzt die Angst vor Inflation in Deutschland besonders tief. Zudem liess die EZB bei ihrem Entscheid ausser Acht, dass steigende Ölpreise ausschlaggebend für die Teuerung waren, während die Kerninflation unter 2% lag. Diese Messgrösse lässt die Preise für Energie und Lebensmittel unberücksichtigt und ist inzwischen die gängigere Grundlage für Zentralbankentscheidungen. Innerhalb weniger Monate stürzte die Weltwirtschaft in die Krise, woraufhin die EZB ihren Kurs rasch korrigierte und ihren Hauptrefinanzierungssatz bis Mitte 2009 auf 1% senkte.

1929 – die Liebe der Bank of England zum Gold

Manchmal führt auch ein Festhalten an überholten Instrumenten zu geldpolitischen Fehlern. Montagu Norman, der die Bank of England während der Weltwirtschaftskrise führte, stand in dem Ruf, Risiken gut vorhersehen zu können. Er hatte sich dagegen ausgesprochen, Kriegsreparationen von Deutschland zu fordern, und hatte in den 1920ern vor einer Verknappung der weltweiten Goldreserven und den Gefahren der Spekulationsblase am US-Aktienmarkt gewarnt. Sein Erbe wird allerdings von seinem eisernen Festhalten am Goldstandard überschattet.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hielten die wichtigsten Volkswirtschaften der Welt den Goldstandard hoch – der Bindung ihrer Währungen an Gold. Inzwischen gilt das starre System jedoch als eine der Hauptursachen für die ökonomische Katastrophe, die Europa und die USA während der Weltwirtschaftskrise heimsuchte. Als damals bei den Anlegern Panik ausbrach, begannen sie nämlich, Papiergeld gegen Gold zu tauschen, sodass die Goldreserven der BoE knapp wurden. Erst nachdem Norman 1931 einen Nervenzusammenbruch erlitten und zahlreiche seiner Kollegen Bankenpleiten erlebt hatten, verliess Grossbritannien den Goldstandard. Diese Abkehr vom Gold war notwendig, um den Entscheidungsträgern neue Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Volkswirtschaften stützen und die Weltwirtschaftskrise überwinden konnten.

2022 – zu restriktiv oder zu locker?

Heute sind die Zentralbanken mit einer weitaus schwierigeren Aufgabe konfrontiert: Neben der Eindämmung der Inflation müssen sie die wirtschaftliche Erholung im Blick haben, die zusehends zäher verläuft. Es ist eine Gratwanderung. Für Anleger birgt sie das Risiko, dass die Zentralbanken einen zu lockeren oder zu restriktiven Weg wählen könnten.

Bleibt die Geldpolitik zu locker und zögern die Zentralbanken zu lange mit Zinsschritten, könnte der Eindruck entstehen, dass sie der Teuerungsentwicklung hinterherhinken. In diesem Fall würden die Anleger langlaufende Anleihen wahrscheinlich weiter meiden, um eine Verringerung der Kaufkraft zu umgehen. Die Zinskurven würden sich voraussichtlich dramatisch versteilen, da der Markt die Zinserhöhungen einpreist, die zur Kontrolle der Inflation über Jahre hinweg erforderlich wären. Steilere Zinskurven bieten zwar die Chance auf attraktivere «Roll-Down»-Gewinne, doch Anleger, die bereits Anleihen mit längeren Laufzeiten halten, erleiden bei steigenden Renditen Verluste.

Wir glauben allerdings, dass ein möglicher Fehler der Notenbanken 2022 eher demjenigen des Jahres 2013 ähneln würde: Ein Kurswechsel in Richtung restriktive Geldpolitik könnte zu aggressiv vermittelt werden, möglicherweise durch eine Kombination aus unerwartet schnellen Zinsanhebungen und der Ankündigung einer sofortigen «quantitativen Straffung». In diesem Szenario dürften auch die Renditen von Staatsanleihen steigen, wobei die Zinskurven wahrscheinlich flacher verlaufen würden, da die Märkte den Rückgang der Inflation in späteren Jahren und eine mögliche Rezession einpreisen. Eine rasche Verschärfung der Finanzierungsbedingungen dürfte einen Ausverkauf risikoreicher Anlagen und eine Ausweitung der Renditeaufschläge (Spreads) von Unternehmenspapieren gegenüber Referenzanleihen auslösen.

Begrenzte Duration, Fokus auf Break-even-Punkt und Liquidität

Wie können wir als Anleihenanleger unsere Portfolios vor den Risiken fehlerhafter Notenbankentscheide schützen, die so oder so zu höheren Staatsanleihenrenditen führen könnten?

Die erste Massnahme besteht darin, sich auf Anleihen mit begrenzter Duration zu konzentrieren. Deren Kurse reagieren traditionell weniger sensibel auf Renditeveränderungen, sodass die Wertverluste bei steigenden Renditen weniger dramatisch ausfallen. Wir empfehlen, Portfolios mit kurzfristigen Anleihen am vorderen Ende der Zinskurve aufzubauen. Dies lässt sich unserer Einschätzung nach mit – insbesondere europäischen – Asset-Backed Securities (ABS) effektiv umsetzen, da die Zinsduration solcher Wertschriften aufgrund ihrer variablen Verzinsung sehr gering ist. Zudem erzielen sie oft höhere Renditen als herkömmliche Unternehmensanleihen mit demselben Rating.

Während die Spreads von Unternehmensanleihen im Rahmen eines breiten Abverkaufs unter Druck geraten könnten, sind wir der Meinung, dass die Fundamentaldaten der Unternehmen weiterhin Unterstützung bieten werden. Mit anderen Worten: Wir ziehen das Ausfallrisiko dem Zinsrisiko vor. Dies lässt sich im Idealfall durch eine sorgfältige Titelauswahl erreichen. Wir sind überzeugt, dass Portfolios nur Titel enthalten sollten, die auch Phasen der Volatilität gut überstehen. Anleihen mit einer niedrigeren Duration und höheren Renditen verfügen über höhere Gewinnschwellen («Break-even-Punkte»). Darunter versteht man den Punkt, bis zu dem die Rendite einer Anleihe während einer Haltedauer von einem Jahr steigen kann, ohne dass der Kapitalverlust die während dieses Jahres erzielten Erträge übersteigt. Enthält ein Portfolio Anleihen mit höheren Gewinnschwellen, sollte es in der Lage sein, Turbulenzen besser standzuhalten und weiterhin positive Renditen zu generieren.

Da wir mit einer Phase erhöhter Volatilität rechnen, halten wir es für erforderlich, mehr Liquidität vorzuhalten, und zwar sowohl durch Barmittel als auch durch Staatsanleihen mit sehr kurzen Laufzeiten. Das dürfte bei einem Ausverkauf zum Werterhalt beitragen und die Möglichkeit eröffnen, den Einbruch zur Umschichtung in höher rentierende Anleihen zu nutzen.

 

 

 

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