Trump 2.0: Was würde eine zweite Amtszeit für Netto-Null bedeuten?

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Kurz und bündig

  • Wir halten es für unwahrscheinlich, dass der Inflation Reduction Act (IRA) unter einer zweiten Präsidentschaft von Trump abgeschafft wird. 
  • Die Triebkräfte der Energiewende sind folglich beständiger Art, unabhängig davon, welche Partei jeweils regiert. Wir haben es mit einer starken Dynamik zu tun, die sich unserer Meinung nach kaum mehr ausbremsen lässt, da die Wirtschaft ihren Umbau hin zu sauberen Industrien in Angriff genommen hat.
  • Die derzeitigen Unwägbarkeiten rund um den Ausgang der Präsidentschaftswahlen können zu volatilen Märkten führen, aber auch günstige Einstiegspunkte für langfristige Investitionen in saubere Energien und Übergangstechnologien schaffen.

 

Gegen Ende dieses historischen Wahljahres dürfte fast die Hälfte der Weltbevölkerung ihre jeweilige politische Führung neu gewählt haben. In der grössten Volkswirtschaft der Welt ist die Wahl noch nicht entschieden. Was könnte eine zweite Amtszeit von Donald Trump für Netto-Null bedeuten?

Die republikanische und die demokratische Partei in den USA vertreten gegensätzliche Positionen in Bezug auf den Klimawandel, die Energiewende und ESG. Trumps erste Präsidentschaft war geprägt von bedeutenden Massnahmen gegen die Klimapolitik: Er zog sich aus dem Übereinkommen von Paris zum Klimawandel zurück, lehnte die Feststellung des National Climate Assessment1 ab, wonach der Klimawandel primär durch Menschen verursacht wird und ein Risiko für die Wirtschaft darstellt2, nahm zahlreiche klimarelevante Vorschriften3zurück und versuchte, die Integration von ESG-Faktoren in privaten Pensionsplänen zu verbieten.4 Trump bezeichnete ESG als «linksradikalen Müll»5 und versprach, seinen Widerstand fortzusetzen.6 

Für Anleger wird daraus ersichtlich, wie wichtig gründliche politische Analysen sind, um zwischen der Rhetorik und der politischen Realität zu unterscheiden. Wenngleich Trumps Wahlkampf einen Rückschritt für ESG-Initiativen signalisieren mag, ist die Realität oft nuancierter. Wir glauben, dass sobald sich der Staub gelegt hat, es zu weniger drastischen Veränderungen kommen dürfte als aktuell befürchtet.

Zum einen hat sich der konservative Think-Tank «The Heritage Foundation» verpflichtet, ihr «Project 2025»7 voranzutreiben, dessen Ziel es ist, die Umweltpolitik von Präsident Joe Biden rückgängig zu machen, einschliesslich des bahnbrechenden Inflation Reduction Act (IRA). Während sich einige Anleger Sorgen über eine mögliche Umkehr in der Umweltpolitik machen, erschweren die beträchtlichen finanziellen Verpflichtungen, welche die US-Regierung und der Privatsektor bereits eingegangen sind, einen Rückbau dieser Initiativen. Der IRA ist geltendes Recht, für das bereits Milliarden von Dollar ausgegeben wurden, und ein Rückzug in Bezug auf diese bereits fest verankerte Politik würde voraussichtlich auf erhebliche Gegenreaktionen und logistische Hürden stossen.

Unseres Erachtens wird der IRA von Biden daher intakt bleiben. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass zahlreiche republikanische Staaten bislang von den ESG-Investitionen profitieren. Angaben des Environment Texas Research & Policy Center8 zufolge ist Texas unter den US-Bundesstaaten die Nr. 1, was die Erzeugung sauberer Energien anbelangt. Daran wird ersichtlich, dass die wirtschaftlichen Vorteile erneuerbarer Energien parteienübergreifend überzeugen können.

Rund drei Viertel der seit der Verabschiedung des IRA zugesagten Investitionen in die Erzeugung sauberer Energien sind für Bundesstaaten mit republikanischen Gouverneuren vorgesehen, so ein auf den 7. Mai 2024 datierter Analystenbericht von JP Morgan9. In der Tat machen die Analysten von JP Morgan darauf aufmerksam, dass republikanische Bundesstaaten in Sachen Umsetzung sauberer Energien führend sind und 80 Prozent aller Fördermittel erhalten, wobei Georgia, Texas und Oklahoma ganz oben auf der Liste der Empfänger stehen. Texas war 2023 landesweit führend bei der Installation neuer Solaranlagen und überholte damit Kalifornien zum zweiten Mal in den letzten drei Jahren, gefolgt von Florida, so der Bericht. Texas, Oklahoma und Iowa waren zudem die drei Bundesstaaten mit den meisten Windkraftanlagen.

Ein weiterer Grund, weshalb wir es für unwahrscheinlich halten, dass Trump den IRA abändern wird, besteht darin, dass ein grosser Teil der IRA-Anreize (zumeist nicht gedeckelte) Steuergutschriften sind, so dass eine Abschaffung einer Steuererhöhung gleichkäme, was Republikanern gewöhnlich gar nicht ins Programm passt.

Ferner zeigt die Geschichte, dass die starken Triebkräfte der Energiewende nicht nachlassen, unabhängig davon, welche Partei gerade die Regierung stellt. Die Kapazitäten für saubere Energien in den USA sind sowohl unter der republikanischen als auch unter der demokratischen Regierung gestiegen, wobei die Wachstumsraten unter Trump etwas höher waren als unter Biden (Grafik 1). Dies legt nahe, dass in erster Linie Marktkräfte und technologische Fortschritte und weniger politische Agenden die Einführung sauberer Energien vorantreiben.

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Der Trend in Sachen Elektrifizierung, saubere Energieversorgung und Energieeffizienz dürfte auch ohne politische Unterstützung und Subventionen langfristig dominieren. Und neue Technologien wie erneuerbare Energien, umweltfreundliche Gebäudelösungen und Elektrofahrzeuge rechnen sich bereits in wirtschaftlicher Hinsicht. In den letzten zehn Jahren sind die Kosten für Solar- und Onshore-Windenergie um mehr als 80 Prozent bzw. fast 70 Prozent gesunken10, was sie unabhängig von der Politik in Washington zu einer realistischen Option macht. Laut einer Studie, die im Oktober 2023 in «Nature Communications» veröffentlicht wurde, könnte Solarenergie bis 2050 sogar die fossilen Brennstoffe als wichtigste Stromquelle verdrängen, ein Fakt, der von der Zeitschrift als «unumkehrbarer Wendepunkt» bezeichnet wird.11

Tatsächlich gibt es Anzeichen für einen exponentiellen Wandel im gesamten Energiesystem, wobei erneuerbare Energien, Elektrifizierung und Energieeffizienz die Haupttreiber sind, so ein Analystenbericht von Jefferies mit Datum vom 13. Juni 202412. Seit den 1970er Jahren hat sich die Anzahl kumulativer Installationen von Solaranlagen laut diesem Bericht zehn Mal verdoppelt, während sie sich für Windkraftanlagen in den vergangenen 20 Jahren sechs Mal verdoppelt hat. Ausserdem vermerkt der Bericht, dass bei jeder Verdopplung des Einsatzes solcher Anlagen die Kosten für saubere Technologien um etwa 20 Prozent gesunken sind. Allein in diesem Jahrzehnt sind die Preise um etwa 80 Prozent rückläufig. Dieser wirtschaftliche Wandel bietet unserer Meinung nach einen langfristigen Rückenwind für Unternehmen, die skalierbare Umweltlösungen anbieten.

Die derzeitigen Unwägbarkeiten rund um den Ausgang der Präsidentschaftswahlen können zu volatilen Märkten, aber auch zu Anlagechancen führen. Vorübergehende Marktstörungen können günstige Einstiegspunkte für langfristige Investitionen in saubere Energien und Übergangstechnologien schaffen. Unseres Erachtens werden Wachstum und Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien unabhängig vom Wahlergebnis voranschreiten. Nach unserem Dafürhalten sind die wirtschaftlichen Vorteile von erneuerbaren Energien – wie die niedrigeren Betriebskosten und der technologische Fortschritt – erheblich. Unserer Meinung nach wäre es daher für die Regierung schwierig, sie zu ignorieren.

Während also einige Anleger unter stärkeren politischen Druck geraten könnten, ihr ESG-Engagement zu verringern, bleibt die Dynamik in Richtung einer saubereren Wirtschaft insgesamt stark. Da die aktuellen umweltpolitischen Massnahmen mittlerweile tiefe Wurzeln geschlagen haben, bereits beträchtliche finanzielle Investitionen getätigt wurden und sich erneuerbare Technologien nun wirtschaftlich rechnen, ist davon auszugehen, dass der Trend zu kohlenstoffarmen Lösungen anhalten wird. Folglich dürften die potenziellen Auswirkungen einer zweiten Amtszeit Trumps weniger dramatisch sein, als die Rhetorik dies nahelegt.

 

 

 

 

 

1. Quelle: BBC-Artikel, veröffentlicht am 26. November 2018. https://www.bbc.com/news/world-us-canada-46351940
2. Quelle: Fourth National Climate Assessment, https://nca2018.globalchange.gov/downloads/
3. Quelle: Artikel der New York Times, veröffentlicht am 20. Januar 2021. https://www.nytimes.com/interactive/2020/climate/trump-environment-rollbacks-list.html#:~:text=The%20bulk%20of%20the%20rollbacks,wetlands%3B%20and%20withdrew%20the%20legal
4. Quelle: Artikel von Morningstar, veröffentlicht am 15. Dezember 2022. https://www.morningstar.com/portfolios/retirement-plans-become-new-battleground-esg
5. Quelle: Donald Trumps Social-Media-Post auf Truth am 24. Februar 2023. https://truthsocial.com/@realDonaldTrump/posts/109920978509261496
6. Quelle: Artikel von Bloomberg, veröffentlicht am 25. Februar 2023. https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-02-24/trump-adds-his-voice-to-republicans-condemning-esg-investing
7. Quelle: Project 2025 Presidential Transition Project, Mandate for Leadership - The Conservative Promise, https://static.project2025.org/2025_MandateForLeadership_FULL.pdf
8. Quelle: Environment Texas Research & Policy Center, 11. Oktober 2023. https://environmentamerica.org/texas/center/media-center/clean-energy-continues-meteoric-rise-in-texas/
9. Quelle: Analystenbericht von JP Morgan mit dem Titel «2024 US Election Watch - Implications for Commodities», veröffentlicht am 7. Mai 2024.
10. Quelle: Internationale Agentur für erneuerbare Energien, veröffentlicht am 29. August 2023. https://www.irena.org/News/pressreleases/2023/Aug/Renewables-Competitiveness-Accelerates-Despite-Cost-Inflation#:~:text=Between%202010%20and%202022%2C%20solar,the%20cheapest%20fossil%20fuel%20globally.
11. Quelle: Nature Communications, «The momentum of the solar energy transition”, veröffentlicht am 17. Oktober 2023. https://www.nature.com/articles/s41467-023-41971-7
12. Quelle: Analystenbericht von Jefferies mit dem Titel «Harnessing the power of S-curves across the energy transition w/ RMI», veröffentlicht am 13. Juni 2024.
 

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