Die transformative Rolle der KI in Bezug auf Vermögensverwaltung und ESG

Asset management
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Künstliche Intelligenz (KI), eines der am heissesten diskutierten Themen dieser Tage, entwickelt sich kontinuierlich weiter und wartet mit immer neuen Fähigkeiten auf, die sich auf die verschiedensten Bereiche des geschäftlichen und gesellschaftlichen Lebens auswirken. Die Technologie lässt kaum eine Branche unberührt und hat das Potenzial, die Gesellschaft zu transformieren. Eine Frage bleibt jedoch offen: Werden die Auswirkungen unter dem Strich positiv oder negativ sein?

Während es zahlreiche Belege für diverse Ängste rund um das Thema KI gibt, erfahren ihre vielen positiven Einsatzmöglichkeiten häufig weniger Beachtung. Ob sich KI letztendlich als nützlich oder schädlich erweist, hängt wie bei den meisten Technologien davon ab, wie wir mit ihr umgehen und sie in unser Leben integrieren.

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Förderung von Transparenz und Reduktion von Vorurteilen

Bei umsichtiger Einführung – d. h. unter Berücksichtigung der möglichen Nachteile – kann KI die Transparenz beträchtlich erhöhen und Voreingenommenheit bei der Entscheidungsfindung reduzieren. Da KI-Systeme ungewollt menschliche Vorurteile widerspiegeln und zu schädlichen Ergebnissen – als algorithmischer Bias bezeichnet – führen können, müssen Entwickler, Verantwortliche und Nutzer das Bewusstsein für dieses Risiko sowie dessen Minimierung dringend priorisieren. Zu den möglichen Massnahmen zählen u. a. die Einführung verantwortungsvoller Prozesse, der Einsatz technischer Hilfsmittel sowie betriebliche Verfahren wie interne «Red Teams» oder externe Audits. Zum Glück sinkt mit zunehmendem Bewusstsein für die inhärenten Vorurteile und deren Risiken auch die Gefahr, dass KI in wichtigen Bereichen erzielte Fortschritte unbeabsichtigt wieder zunichtemacht. Als Beispiel sei hier die Förderung der Vielfalt am Arbeitsplatz genannt.

Wenn KI die Transparenz erhöhen und Voreingenommenheit reduzieren soll, müssen wir ihr vertrauen können. Regulierungsbehörden sowie die Öffentlichkeit fordern zunehmend Erklärungen und Klarheit in Bezug auf die Nutzung von Daten. Transparente KI ist auf verständliche und saubere Eingaben angewiesen, um die von der KI getroffenen Entscheidungen nachvollziehbarer zu machen und das Vertrauen in diese zu erhöhen. Ausserdem bilden diese Daten die Grundlage für Tests und erleichtern die Erläuterung von Entscheidungen gegenüber Stakeholdern. Auf politischer Ebene stellen sowohl die im Oktober 2023 von US-Präsident Biden erlassene Executive Order zur sicheren Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz als auch das Gesetz über Künstliche Intelligenz des Europäischen Parlaments vom Dezember desselben Jahres die transparente und vertrauenswürdige Nutzung neuer Technologien in den Mittelpunkt.1

Beitrag der KI im Bereich ESG

Die Chancen stehen gut, dass KI im Bereich der ESG eine transformative Rolle spielen wird. Auch hier hängt der Erfolg davon ab, in welche Bahnen wir die Technologie lenken – d. h., wir müssen die Grundlage für positive Änderungen legen. Ein Beispiel ist die KI-gestützte Entwicklung von Technologien, deren Ziel es ist, atmosphärische Treibhausgase zu eliminieren und zur Reduktion von Klimarisiken beizutragen.2 Mithilfe von KI-Fähigkeiten lässt sich die Genauigkeit von Prognosen zum Klimawandel erhöhen. Ausserdem kann KI Emissionen messen und überwachen und wesentliche Daten zum Klimaschutz bereitstellen.3 Darüber hinaus ermöglicht Smart Manufacturing eine beträchtliche Reduktion von Energieverbrauch, Abfall und CO2-Emissionen, während KI-gestützte Prognosen durch präzise Vorhersagen von Angebot und Nachfrage die Effizienz von Elektroanlagen erhöhen können.4

Die Boston Consulting Group und Google gehen davon aus, dass KI unter sorgfältiger Anleitung von Experten dazu beitragen könnte, die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2030 um 5 bis 10 Prozent zu reduzieren. Dies entspricht rund 10 bis 20 Prozent des vom Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen («Weltklimarat») festgelegten Zwischenziels zum Erreichen der Netto-Null-Ziele bis 2050. Bei richtiger Umsetzung wird KI unserer Ansicht nach auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit technologische Experimente beschleunigen und uns somit hoffentlich auch schneller als erwartet zu wichtigen Durchbrüchen verhelfen.

Die transformativen Auswirkungen der KI im Anlagebereich

Vor dem Hintergrund von Befürchtungen, KI könne im Banken- und Investmentsektor zum Abbau von Arbeitsplätzen führen, argumentieren viele, KI werde menschliche Fähigkeiten ergänzen, nicht ersetzen. Daren Acemoglu, Wirtschaftsprofessor am MIT, behauptet, KI und menschliche Mitarbeitende könnten gemeinsam mehr erreichen als alleine.6

Mit zunehmender Intelligenz werden Computer immer besser darin, komplexe Aufgaben mit sich wiederholenden Abläufen – z. B. Handelsabwicklung, Performance-Berichte und Compliance-Überwachung – zu automatisieren. Entsprechend kann KI dazu beitragen, Möglichkeiten für Kosteneinsparungen und operative Verbesserungen zu identifizieren und umzusetzen. Dadurch haben Anlageexperten mehr Zeit für komplexere Analysen und strategische Entscheidungsfindung, die für ein solides Portfoliomanagement unerlässlich sind. Das Potenzial der KI, grosse Datenmengen in einer für Menschen unerreichbaren Geschwindigkeit zu verarbeiten und zu analysieren, ermöglicht differenziertere Marktanalysen und damit bessere Anlageentscheidungen. In Bezug auf das Kundenmanagement kann KI individuelle Kundendaten analysieren, um eine hochgradig personalisierte Anlageberatung zu ermöglichen. Dies wirkt sich positiv auf die Kundenzufriedenheit und -bindung aus.

Statt den möglichen Abbau von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen, sollten wir uns vielmehr darauf konzentrieren, wie diese technologischen Fortschritte unsere und andere Branchen neu gestalten werden. Die Vorteile der KI werden höchstwahrscheinlich neue Kompetenzen in den Vordergrund rücken: Je stärker KI in die Investment-Management-Branche integriert wird, desto grösser der Bedarf an Experten, die sich mit Data Science, maschinellem Lernen und KI-Implementierung auskennen. Nichtsdestotrotz ist es – ähnlich wie im medizinischen Bereich – nur schwer vorstellbar, dass im Zusammenhang mit sensiblen Finanz- und Anlageentscheidungen menschliche Interaktionen je vollständig durch Interaktionen mit einem Chatbot ersetzt werden könnten.

Während KI also zu Verbesserungen in puncto Effizienz und Systematik beiträgt, ist es unwahrscheinlich, dass sie das menschliche Element in unserer und anderen Branchen eliminieren wird. Wir scheinen daher auf eine Zukunft zuzusteuern, in der Mensch und Technologie einander ergänzen werden. Wir gehen davon aus, dass die sorgfältige Implementierung von KI – unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Risiken – unter dem Strich zu einem positiven Ergebnis für die Anlagewelt und darüber hinaus führen wird.

 

 

 

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Als nächstes lesen:
Geopolitik und Klimawandel

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