Markt-Update: Israel-Hamas-Konflikt

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Der Israel-Hamas-Konflikt droht, auf den weiteren Mittleren Osten überzuschwappen. Was bedeutet das für den Ölpreis?

 

Kurz und bündig

  • Die unmittelbare Reaktion der Finanzmärkte fiel gemässigt aus.
  • Wir halten vorderhand an unserer Positionierung fest, beobachten die Situation jedoch sorgfältig.


Was ist passiert?

Der Israel-Hamas-Konflikt beherrscht seit Oktober 2023 die Schlagzeilen. Damals skizzierten wir drei mögliche Szenarien: ein Szenario, in dem der Konflikt auf Israel und die Hamas beschränkt bleibt, ein Szenario, bei dem sich die Hisbollah beteiligt, und ein Szenario, bei dem sich der zwischen Israel und dem Iran ausgetragene «Schattenkrieg» in einen «direkteren» Konflikt ausweitet (Grafik 1).

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Am Wochenende ist Szenario 3 eingetreten: in der Nacht auf Sonntag (14. April 2024) sandte der Iran Drohnen und Raketen in Richtung Israel. Berichten zufolge wurden auch aus dem Libanon und dem Jemen Raketen abgeschossen.

Teheran beschuldigt Israel, am 1. April das iranische Konsulat in Damaskus angegriffen und mehrere hochrangige iranische Offiziere getötet zu haben. Der jüngste Angriff markiert eine neue, ernst zu nehmende Phase in dem seit Monaten schwelenden Konflikt.

Israels Kriegskabinett versammelte sich daraufhin am Sonntag, den 14. April 2024, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Israels Aussenminister Katz betonte Channel 12 zufolge die Bereitschaft zu weiteren Schritten: «Wir haben gesagt: Wenn der Iran Israel angreift, werden wir im Iran angreifen. Und dieses Bekenntnis ist immer noch gültig.» Auch israelische Medien warnten, der Iran solle sich auf eine «erhebliche Reaktion» gefasst machen.

Wie haben die Märkte reagiert?

Die unmittelbare Marktreaktion fiel gemässigt aus. Die US-Aktien-Futures erholten sich zum Wochenauftakt am Montag, auch andernorts war die Lage stabil.

Wer auf höhere Ölpreise spekuliert hatte, wurde enttäuscht (Grafik 2). Brent-Futures für die Lieferung im Juni fielen um 23 Cent (0.2 Prozent) auf 90.22 US-Dollar pro Barrel, West Texas Intermediate-Futures für die Lieferung im Mai um 29 Cent (0.3 Prozent) auf 85.37 US-Dollar pro Barrel. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Ölpreise in den Tagen zuvor bereits eine mögliche Eskalation antizipiert hatten.

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Wie geht es weiter?

Mittel- bis längerfristig hängt alles von der weiteren Entwicklung des Konflikts ab – unter anderem von der Frage, ob Israel einen Vergeltungsschlag startet oder nicht, ob es der Iran bei dem einen Angriff belässt, und wie sich andere Parteien (USA, Hisbollah etc.) verhalten.

Aktuell spricht einiges dafür, dass der Konflikt (und damit das weitere Aufwärtspotenzial für den Ölpreis) begrenzt sein dürfte. Wenn man dem Iran glauben darf, wird es bei dem einen Angriff bleiben – zumindest liess die Vertretung des Irans bei der UNO auf der Plattform X (ehemals Twitter) verlauten, dass «das Thema damit abgeschlossen sei». Sollte das israelische Regime jedoch «einen weiteren Fehler begehen», werde die Antwort des Irans «wesentlich härter ausfallen».1

Einem Reuters-Bericht zufolge scheint der Iran die Türkei zudem bereits vorab über seine geplante Operation gegen Israel in Kenntnis gesetzt zu haben. Dieses «Durchsickern lassen» überrascht: Der Iran hätte Israel deutlich empfindlicher treffen können, wenn er seine Absichten für sich behalten hätte. Israels Armee zufolge konnten denn auch 99 Prozent der Raketen abgefangen werden.

Positiv zu werten ist, dass sich auch andere Interessengruppen um eine Deeskalation bemühen. Während US-Präsident Joe Biden Israels Premier Benjamin Netanyahu seine Unterstützung zusicherte, warnte er gleichzeitig vor einer Vergeltung durch Israel. Im Fall eines israelischen Vergeltungsschlags werde sich die USA höchstwahrscheinlich nicht beteiligen.
 
Auch Saudi-Arabien hat zu Besonnenheit aufgerufen. In einer Erklärung des saudischen Aussenministeriums zeigte sich das Königreich sehr besorgt über die militärische Eskalation in der Region und forderte alle Beteiligten auf, «äusserste Zurückhaltung» zu üben und die Region und ihre Bevölkerung vor einem Krieg zu bewahren.

Besonders im Fokus steht hierbei die Strasse von Hormuz (Grafik 3). Die Strasse von Hormuz verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und dem Arabischen Meer und trennt den Iran (Norden) von der Arabischen Halbinsel (Süden). Schätzungen zufolge ist sie für rund 17 Prozent der weltweiten Ölversorgung verantwortlich. Aktuell bleibt die Strasse offen. In unseren Augen hat der Iran kein Interesse an einer Schliessung der Strasse (denn er ist ebenfalls von der Strasse abhängig).

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Bleibt eine weitere Eskalation aus, wird sich der Fokus früher oder später wieder auf die wichtigsten Einflussfaktoren richten. Namentlich sind dies Inflation, Wachstum und Zentralbankpolitik. Die potenziell höhere geopolitische Aufmerksamkeit der Märkte im Allgemeinen könnte jedoch bestehen bleiben.

Im Fall einer weiteren Eskalation ist von einem höheren Ölpreis (je nach Entwicklung sogar von einem Ölpreis-Schock) auszugehen. Sollte es zu einem Schock kommen, könnten die USA weiteres Rohöl aus ihren strategischen Erdöl-Reserven freisetzen. Auch die Organisation erdölexportierender Länder und ihre Verbündeten (OPEC+) könnten zu Hilfe eilen, da sie über freie Produktionskapazitäten von rund 5 Millionen Barrel pro Tag verfügen. Die Aktienkurse dürften in einem solchen Szenario leiden. Gold würde profitieren. Dann jedoch dürfte sich die höhere Inflation in höheren Zinsen niederschlagen und sich zu einem Gegenwind für Gold entpuppen.

Wie ist die Multi Asset Boutique positioniert?

In unserer aktuellen Allokation sind wir bei Aktien leicht übergewichtet. Die jüngsten Entwicklungen dürften kurzfristigen Gegenwind für Aktien bedeuten, das Abwärtspotenzial dürfte in unseren Augen jedoch begrenzt sein aufgrund unserer defensiven Positionierung (Präferenz für US- und Schweizer Aktien).

Rohstoffe hatten wir Anfang Jahr auf untergewichtet reduziert, da Aktien unserer Meinung nach (relativ gesehen) attraktiver waren.

Während sich das Aktien-Übergewicht im bisherigen Jahresverlauf bezahlt gemacht hat, bedeutet das Rohstoff-Untergewicht, dass wir vor einem möglichen Öl-Schock nicht direkt geschützt wären. Unsere Portfolio-Absicherung drückt sich stattdessen in einer Übergewichtung von Staatsanleihen und Gold aus.

Wir halten vorderhand an unserer Positionierung fest, beobachten die Situation jedoch sorgfältig, da künftige Allokationsentscheidungen von der mittelfristigen Entwicklung des Konflikts (Eskalation oder nicht) beeinflusst werden könnten.

 

 

 

1. @Iran_UN auf X (14. April 2024): «Conducted on the strength of Article 51 of the UN Charter pertaining to legitimate defense, Iran’s military action was in response to the Zionist regime’s aggression against our diplomatic premises in Damascus. The matter can be deemed concluded. However, should the Israeli regime make another mistake, Iran’s response will be considerably more severe. It is a conflict between Iran and the rogue Israeli regime, from which the U.S. MUST STAY AWAY!»

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