Der Konjunkturzyklus als Schlüssel für erfolgreiche Investitionsentscheide

Quantitative Investments
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Die meisten fundamental orientierten Anleger verbringen mindestens die Hälfte ihrer Zeit mit dem Versuch, die nächste Bewegung im Konjunkturzyklus zu antizipieren, denn er gilt als der Schlüssel für ein erfolgreiches Markt-Timing. Die Vorhersage der Wirtschaftsentwicklung ist allerdings schwierig. Darum haben wir unser hauseigenes Konjunkturmodell «Wave» entwickelt, mit dem wir den aktuellen Stand der Konjunktur und die wahrscheinliche künftige konjunkturelle Entwicklung erfassen. Entsprechend kann sie im Rahmen der Vermögensallokation helfen, die Performance und das Risikomanagement zu verbessern. Dies nicht zuletzt, weil etwa zwei Drittel des Gewinns beim Timing des Konjunkturzyklus durch Umschichtung von Anlageportfolios darauf zurückzuführen sind, dass das Ende der Rezession im Voraus vorhergesagt wurde. Dabei kann die Rendite im Vergleich zu einer Buy-and-Hold-Strategie mit gleichem Risiko um mehr als einen Prozentpunkt gesteigert werden für jeden Monat, um den der Investor dem Konjunkturzyklus voraus ist.

Der Konjunkturzyklus als entscheidender Bestimmungsfaktor für Renditen

Alle rationalen Investitionsentscheidungen beinhalten explizite oder implizite Einschätzungen der aktuellen und zukünftigen Konjunkturlage. Vielen Investoren gilt dabei der Finanzmarkt als guter Indikator für den Konjunkturzyklus. Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson stellte allerdings 1966 schon fest, dass «declines in stock markets have predicted nine out of the last five recessions.»1 Finanzmärkte senden also häufig Fehlsignale aus, die dazu führen, dass das wirtschaftliche Umfeld falsch beurteilt wird. Dabei scheint sich die Tendenz des Aktienmarktes, falsche Signale für eine bevorstehende Rezession zu senden, seit der Nachkriegszeit zu verstärken.2

Der Aktienindex verzeichnet fast immer einen Rückgang um mindestens 8% vor oder kurz nach Beginn einer Rezession. In der Vergangenheit lag dieser Rückgang meist weniger als einen Monat vor dem Höhepunkt des Konjunkturzyklus, sodass sich eine bevorstehende Rezession mit wenig Vorlaufzeit ankündigte.3 Den Höchststand des Aktienkurses erkennt man zudem erst im Nachhinein. Darum braucht es ein anderes Kriterium, um zu beurteilen, wann ein Marktrückgang eintritt.

In diesem Zusammenhang kann der Konjunkturzyklus, der die zyklischen Schwankungen einer Wirtschaft über viele Monate oder einige Jahre hinweg umfasst, ein entscheidender Bestimmungsfaktor für die Renditen an den Anlagemärkten und die relative Performance der verschiedenen Anlageklassen sein. Dies nicht zuletzt, weil die Strategie, abhängig vom Konjunkturzyklus zwischen Anleihen und Aktien zu wechseln, bis zu 30 Basispunkte an durchschnittlicher jährlicher Rendite generieren kann für jede Woche (bis zu vier Monate), in der es dem Investor gelingt, die Wendepunkte im Konjunkturzyklus vorherzusagen.4

Warum ist die Konjunktur so wichtig für die Vermögensallokation?

Das Wirtschaftswachstum bildet die Grundlage für Unternehmensgewinne und somit auch für die Erträge und Dividenden, welche an die Aktionäre fliessen. Entsprechend variieren die erwarteten Aktienrenditen mit den wirtschaftlichen Bedingungen, wobei künftige Cashflows und Rentabilität positiv an den Konjunkturzyklus gekoppelt sind.5 Somit verändern sich auch die von Investoren geforderten Risikoprämien im Konjunkturzyklus, wobei die erwarteten Aktienrenditen antizyklisch sind.6

Aktienkurse werden zudem durch Angebot und Nachfrage bestimmt, die sich im Laufe des Konjunkturzyklus verändern. Dies ist unter anderem auf das Verhalten der Marktteilnehmer zurückzuführen, die wirtschaftliche Schwankungen sehr ernst nehmen, was sich auch in ihrem Verhalten auf den Finanzmärkten spiegelt.7 Abhängig vom wirtschaftlichen Umfeld unterliegt darum auch die Risikoaversion der Marktteilnehmer antizyklisch Veränderungen: In schlechten Zeiten ist sie besonders hoch, in Boomzeiten hingegen rückläufig.8

Entscheidend ist das richtige Timing

Empirische Studien zeigen, dass sich das Markowitz-Rendite-Risiko-Profil erheblich verbessern lässt, wenn man die Anteile der Vermögenswerte in einem Portfolio auf der Grundlage konjunktureller Wendepunkte abstimmt.9 Die durchschnittliche Aktienrendite kann in der Regel erheblich gesteigert werden, wenn vor dem Höhepunkt des Konjunkturzyklus von Aktien in Anleihen umgeschichtet und – was noch wichtiger ist – vor dem Tiefpunkt des Konjunkturzyklus wieder in Aktien investiert wird. Insbesondere dann, wenn bei der Anpassung der Vermögensallokation die nächste Phase des Konjunkturzyklus antizipiert wird, bevor die Wirtschaft tatsächlich in diese Phase eintritt.10 Es geht also darum, konjunkturelle Wendepunkte frühzeitig zu erkennen und die Vermögensallokation entsprechend anzupassen bzw. die Aufteilung nach zyklischen Aktien, Wachstumswerten und defensiven Titeln zu verschieben.

Der Ansatz der meisten Anleger besteht darin, die Gewichtung der Anlageklassen zu ändern oder Käufe und Verkäufe mit Blick auf den Konjunkturzyklus zu timen, nicht aber auf das richtige Timing zu setzen.11 Allerdings kann sich der Versuch, den Zyklus zu timen, als kostspielig erweisen, wenn der Investor sich verschätzt. Am häufigsten machen Investoren jedoch den Fehler, zu vergessen oder zu leugnen, dass der Konjunkturzyklus existiert. Dabei ist es der Schlüssel für erfolgreiche Investitionsentscheide, frühzeitig die aktuelle Phase des Konjunkturzyklus (Verlangsamung, Kontraktion, Erholung und Expansion) sowie den am ehesten bevorstehenden Übergang in die nächste Phase (Übergangswahrscheinlichkeit) zu kennen.

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Die gängigen Konjunkturindikatoren liefern allerdings unbefriedigende Ergebnisse für die Einschätzung der verschiedenen Phasen des Wirtschaftszyklus, da sie je ein unterschiedliches Bild der aktuellen und der zu erwartenden Konjunkturlage zeichnen. Abwärtskorrekturen erfolgen zudem häufig zu spät, weil die Prognosen in der Regel umso ungenauer werden, je näher ein Abschwung oder eine Rezession rückt.12 Deshalb ist die Verdichtung der Informationen zu einer einheitlichen Konjunkturtendenz13 schwierig bis unmöglich.

Die Wave

Mit unserem hauseigenen Konjunkturmodell Wave 14 haben wir eine Lösung für diese Problematik entwickelt. Das Modell erfasst nicht nur den aktuellen Stand der Konjunktur, sondern auch deren wahrscheinliche künftige Entwicklung. Die Wave macht sich dabei den technologischen Fortschritt und die vorhandene Datenmenge zunutze, um mithilfe systematischer Big-Data-Analysen die makroökonomische Entwicklung von 50 Ländern weltweit zu untersuchen. Auf der höchsten Aggregatsstufe verarbeitet die Global Wave dazu momentan über 1200 Konjunktur-Zeitreihen15 und verdichtet sie zu präzisen Fakten und Daten.

In der langfristigen Vergangenheit zeigte sich, dass die Wave beim Prognostizieren der Konjunkturphasen aber auch bei der Antizipation von Wendepunkten des Konjunkturzyklus im Durchschnitt bessere Ergebnisse erzielte als die gängigen Frühindikatoren, denen sie um rund einen Monat vorausläuft. Dies macht sie zu einem nützlichen Instrument, um den Konjunkturverlauf präzise zu erfassen und besser informierte Investitionsentscheide zu treffen.

Als wichtiger Frühindikator der Konjunkturentwicklung und verlässliches Prognoseinstrument gilt vielen Investoren der Einkaufsmanagerindex (Purchasing Manager Index, PMI).16 Dieser nahm im Durchschnitt der letzten 50 Jahre den wirtschaftlichen Tiefpunkt zwei bis drei Monate im Voraus wahr. Unser hauseigenes Konjunkturmodell hingegen hat den Tiefpunkt mehr als einen Monat früher vorhergesagt als der PMI.

Wenn wir uns vor Augen halten, dass die durchschnittliche Jahresrendite mit jeder Woche, in der es dem Investor gelingt, den konjunkturellen Wendepunkt vorauszusagen, gesteigert werden kann, entgeht Investoren, deren Analysen auf dem PMI basiert, womöglich eine nicht unbeträchtliche Summe. Die Wave hat entsprechend das Potenzial, höhere Aktienmarktgewinne zu erzielen, wenn sie für die taktische Vermögensallokation eingesetzt wird.

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Fazit

Die mittelfristige Wertentwicklung von Anlagen wird häufig weitgehend von konjunkturellen Faktoren bestimmt, die mit der Wirtschaftslage zusammenhängen. Der Konjunkturzyklus kann daher ein entscheidender Bestimmungsfaktor für die Renditen der Anlagemärkte und die relative Wertentwicklung verschiedener Anlageklassen sein. In der Praxis gestaltet sich das Markt-Timing allerdings sehr schwierig, da jeder Konjunkturzyklus sowohl in seiner Länge als auch in seiner Ausprägung variiert. Dies führt dazu, dass Investoren wirtschaftliche Wendepunkte häufig zu spät erkennen oder die Gewichtung ihrer Anlagen nur innerhalb bestimmter Grenzen verändern aus Angst, zu früh zu kaufen oder zu spät zu verkaufen.

Die Wave hilft Investoren, Konjunkturphasen zu prognostizieren und Wendepunkte frühzeitig zu antizipieren. Viele andere Konjunkturmodelle verwenden lediglich einige wenige Schlüsselfaktoren, um den künftigen Verlauf der Wirtschaft zu bestimmen. Die Wave hingegen verarbeitet eine Vielzahl unterschiedlicher Indikatoren, um anhand von deren Veränderung wirtschaftliche Wendepunkte zu erkennen. Das Modell kann dadurch die potenzielle Analyse des Konjunkturzyklus verbessern, da es ein breit angelegtes Messverfahren für 50 verschiedene Länder und ein separates Mass für den wahrscheinlichsten künftigen Konjunkturverlauf liefert. 17

 

 

 

 

1. Samuelson, P. (1966). Science and Stocks. Newsweek, 19. September, Seite 62. 2. Siegel, J. J. (1991). Does it pay stock investors to forecast the business cycle? The Journal of Portfolio Management, 18(1), 27-34.
2. Siegel, J. J. (1991). Does it pay stock investors to forecast the business cycle? The Journal of Portfolio Management, 18(1), 27-34.
3. Siegel, J. J. (1990). The behavior of stock returns around N.B.E.R. turning points: an overview. The Journal of Portfolio Management: a publication of Institutional Investor, 18(1), 27-34.
4. Siegel, J. J. (1991). Does it pay stock investors to forecast the business cycle? The Journal of Portfolio Management, 18(1), 27-34.
5. DeStefano, M. (2004). Stock Returns and the Business Cycle. Financial Review, 39(4), 527–547.
6. Insbesondere scheint die Risikoprämie für Aktien in Rezessionen höher zu sein als in Spitzenzeiten des Konjunkturzyklus, siehe Fama, E. F. & French, K. R. (2002). The Equity Premium. Journal of Finance, 57, Seiten 637-659; Ferson, W.E. & Harvey, C.R. (1991). The Variation of Economic Risk Premiums. Journal of Political Economy, 99(2), 385-415.
7. Campbell, J. Y. (1999). Asset prices, consumption, and the business cycle. Handbook of macroeconomics, 1, 1231-1303.
8. Campbell, J. Y. & Cochrane, J.H. (1999). By Force of Habit: A Consumption-Based Explanation of Aggregate Stock Market Behaviour. The Journal of Political Economy, 107, 205-251.
9. Brocato, J. & Steed, S. (1998). Optimal Asset Allocation Over the Business Cycle. The Financial Review, 33 (3), 129-148.
10. Siegel, J. J. (1991). Does it pay stock investors to forecast the business cycle? The Journal of Portfolio Management, 18(1), 27-34.
11. Calverley, J. (2003). Investor’s guide to economic fundamentals. New York: John Wiley & Sons.
12. The Economist (2018). Economists still lack a proper understanding of business cycles. Retrieved from https://www.economist.com/finance-and-economics/2018/04/19/economists-still-lack-a-proper-understanding-of-business-cycles
13. Dieser Trend kann durch Unvorhergesehene makroökonomische Ereignisse oder Schocks unterbrochen werden.
14. https://am.vontobel.com/insights/the-vescore-wave-a-superior-business-cycle-model
15. Wenn verfügbar, zurückreichend bis in die 1950er-Jahre.
16. Die Basis für den monatlich erscheinende Index liefern mehr als 430 Einkaufsmanager, die anhand eines standardisierten Fragebogens ihre Einschätzung zum wirtschaftlichen Aktivitätsniveau mittels verschiedener Kennzahlen abgeben.
17. Weitere Details zur Funktionsweise der Wave finden Sie hier https://am.vontobel.com/insights/the-vescore-wave-a-superior-business-cycle-model

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