Das RCEP-Freihandelsabkommen dürfte Asien als Wachstumsmotor der Welt stärken

Quantitative Investments
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Inmitten des Handelskonflikts zwischen den USA und China ist im Asien-Pazifik-Raum die bisher grösste Freihandelszone der Welt entstanden. Auf ein entsprechendes Abkommen haben sich am 15. November die Staats- und Regierungschefs von China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland mit der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN geeinigt, zu der unter anderem aufstrebende Länder wie Laos, Thailand, Vietnam und Indonesien gehören. Die Freihandelszone, die insgesamt 15 Staaten und rund 30 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung umfasst, betrifft rund 2.2 Milliarden Menschen und übertrifft selbst das am 1. Februar 2019 in Kraft getretene Economic Partnership Agreement (EPA) zwischen der Europäischen Union und Japan, das 35 Prozent des Welthandels abdeckt.

Durch das nun unterzeichnete Freihandelsabkommen RCEP wird der Schwerpunkt der Weltwirtschaft weiter nach Osten verschoben. Für China bedeutet das Abkommen die Chance, seinen wirtschaftlichen Einfluss weiter auszubauen. Für Unternehmen aus den USA und Europa dürften sich dagegen die Wettbewerbsbedingungen in der Region erschweren. Welche Auswirkungen das Abkommen auf die globale Wirtschaftsordnung haben könnte, erklärt Sven Schubert.

Dient das kürzlich unterzeichnete Freihandelsabkommen RCEP dem strategischen Bestreben Chinas, eine stärkere Grundlage für seine „One-Belt-One-Road“-Initiative zu schaffen und sich von der US-dominierten globalen Handelslandschaft zu lösen?

Ja und nein. China hat kürzlich auf seiner 19. Tagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei seine strategischen Prioritäten für die nächsten fünf Jahre vorgestellt. Die Politik der zwei Kreisläufe (innen- und aussenpolitisch) ist zur obersten Priorität geworden. Die inländische Zirkulation bedeutet, dass China den Binnenmarkt stärken will, indem es autark und weniger abhängig von Warenimporten wird, die für die chinesische Wirtschaft entscheidend sind. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China hat gezeigt, dass die chinesische Wirtschaft nach wie vor von Gütern wie der Halbleitertechnologie – China produziert hier nur 30% dessen, was es verbraucht – aus dem Ausland abhängig ist. Dies ist nur eine der Abhängigkeiten, die die Trump-Regierung als Hebel gegen China eingesetzt hat.

Aber auch die externe Zirkulation ist Teil der Strategie. China wird für ausländische Investoren und Produzenten offen bleiben und seine Kapitalmärkte noch weiter liberalisieren. Im zweiten Quartal – nach starken Abflüssen in der ersten Hälfte – erreichten die asiatischen Kapitalzuflüsse (Aktien und Anleihen) ein Siebenjahreshoch. Dies ist zu einem guten Teil der Öffnung der chinesischen Finanzmärkte für Ausländer zu verdanken. Dieser Trend sollte sich in Zukunft weiter fortsetzen, da China künftig Kapital von ausländischen Investoren benötigen wird, um in der Wertschöpfungskette weiter nach oben zu klettern. Daher hat China ein grosses Interesse daran, gute Handelsbeziehungen aufrechtzuerhalten, wird aber seine Abhängigkeit von für die Wirtschaft kritischen Gütern verringern wollen.

Könnte das RCEP den asiatischen Volkswirtschaften helfen, insbesondere den Mitgliedern der Schwellenländer, sich von der COVID-19-Pandemie zu erholen?

Aus wirtschaftlicher Sicht ist dies eindeutig eine positive Entwicklung, da innerhalb der Region viel Handel betrieben wird. Ungefähr 40 Prozent der asiatischen Exporte bleiben in Asien. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die realwirtschaftlichen Auswirkungen von RCEP bereits in naher Zukunft spürbar werden, da die Umsetzung zwar im Jahr 2021 beginnen soll, die Zollsenkungen wahrscheinlich aber erst im Jahr 2022 greifen werden. Die wirtschaftliche Erholung der Region kommt allerdings ohnehin, da viele asiatische Länder die Pandemie besser bewältigt haben als die Staaten Europas oder die USA.

Die Auswirkungen des Abkommens sind nicht nur wegen des beträchtlichen intraregionalen Handels erheblich, sondern auch, weil sich die Lebensstandards in den jeweiligen Ländern erheblich unterscheiden. So haben wir Länder mit niedrigem (Myanmar, Kambodscha, Laos, Vietnam und Philippinen), mittlerem (Indonesien, Thailand, China und Malaysia) und hohem Einkommen (Brunei, Südkorea, Japan und Singapur) in der Union. Die Umstrukturierung von Produktionsketten dürfte zudem einen neuen Schub erhalten, womit einige Produktionsstätten aus China in andere südostasiatische Länder verlagert werden könnten. Alles in allem dürfte sich daher das Abkommen beflügelnd auf die Stimmung der Investoren auswirken und Asien als Wachstumsmotor der Welt stärken.

Grosse Volkswirtschaften wie Indien und die USA sind nicht am RCEP beteiligt. Bedeutet das, dass China bei der Festlegung der Bedingungen wesentlich mehr Macht haben wird?

Indien und China sind nicht am RCEP beteiligt. Bedeutet das, dass China bei der Festlegung der Bedingungen wesentlich mehr Macht haben wird? 

Indien hat sich nicht beteiligt, weil es das Land mit den zweithöchsten Zöllen (9,5 Prozent Durchschnitt des WTO- und Weltbankindexes) in der Freihandelszone gewesen wäre. Es wäre somit gezwungen gewesen, diese Zölle zu senken. Das Risiko für die Wirtschaft war der indischen Regierung schlicht zu hoch. Ein weiterer wichtiger Faktor um diese Frage zu beantworten ist die Aussenbeziehung Chinas und Indiens. Die Spannungen zwischen China und Indien haben im Jahr 2020 zugenommen. Der Grenzkonflikt forderte auf beiden Seiten Menschenleben und Indien verbannte TikTok von seinem Inlandsmarkt. Aufgrund dieser Spannungen und der höheren indischen Zölle hätte eine indische Beteiligung die Zollsenkungen wahrscheinlich verlangsamt.

Die Nichtteilnahme der USA stärkt eindeutig die Verhandlungsmacht Chinas, aber auch die der Region insgesamt. Man kann hier den Vergleich zur EU ziehen. Als Region mit einheitlichen Aussenhandelspielregeln verhandelt es sich mit Drittstaaten einfacher. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre eine US-Beteiligung jedoch ein klares Signal für eine Lockerung des Handelskonfliktes zwischen China und den USA gewesen, weshalb eine US-Beteiligung für China in wirtschaftlicher Hinsicht von Vorteil gewesen wäre. Alles in allem wiegen die Nachteile des Fernbeleibens der USA für die Freihandelszone jedoch weniger schwer als für die USA.

Was bedeutet das RCEP für die Handelsspannungen zwischen den USA und China – könnte es Teil der Strategie Chinas sein, einen stärkeren Einfluss im Welthandel zu gewinnen?

Eher nicht. Seit einem Jahrzehnt besteht Chinas Strategie darin, seine Exportabhängigkeit zu verringern und den Binnenmarkt zu stärken. Und in der Tat wurde China in den letzten Jahren weniger abhängig von Exporten insgesamt und in die USA. Zwischen 2006 und heute sind die chinesischen Exporte, gemessen am BIP, von 36 Prozent auf 19 Prozent des BIP zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum gingen die Exporte in die USA von 7 Prozent des BIP auf 3 Prozent zurück.

Auf der anderen Seite bedeutet die chinesische Politik der «zwei Kreisläufe», dass China sich stärker öffnen will, um ausländische Investoren anzuziehen («externer Kreislauf»). Indem ausländischen Investoren Zugang zum chinesischen Markt gewährt wird, ist China besser vor ausländischen Sanktionen geschützt. Die Technologieindustrie ist ein gutes Beispiel. Da China einer der wichtigsten Exportmärkte für US-amerikanische Technologieunternehmen ist, wird jede Beschränkung von US-Behörden für US-Technologieexporte nach China auch dem US-Unternehmenssektor schaden. Daher hat China ein grosses Interesse daran, seine Wirtschaft in den nächsten Jahren für ausländische Investoren und Produzenten weiter zu öffnen. Ausserdem hat der Internationale Währungsfonds in unzähligen Publikationen aufgezeigt, dass globaler Handel mit Innovation einhergeht. Sich von ausländischen Investoren stark abzuschotten wäre somit ein grosser Fehler.

Es gibt Spekulationen, dass die USA nach dem Amtsantritt von Joe Biden wieder der Trans-Pacific-Partnership (TPP) beitreten könnten. Könnte ein solcher Schritt die Machtverhältnisse zwischen den USA und China in der Region wieder kippen?

Das ist richtig. Joe Biden könnte versuchen, die TPP neu zu verhandeln. Und China würde sich wahrscheinlich über Verhandlungen mit den USA im Allgemeinen freuen. Der Handelskrieg hat jedoch die Einstellung Chinas zu den Handelsbeziehungen mit den USA verändert. China will nach wie vor gute Handelsbeziehungen mit den USA, aber nicht um jeden Preis. Deshalb wird China seine Abhängigkeit von den USA in Zukunft weiter verringern wollen. Die Handelsspannungen mögen unter Joe Biden nachlassen, aber es ist unwahrscheinlich, dass sich der Trend der Verlagerung des wirtschaftlichen Gravitationszentrums in Richtung Asien ändern wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass China die wirtschaftliche und finanzielle Vormachtstellung der USA in diesem Jahrzehnt brechen kann. Die Tiefe der US-Finanzmärkte, die militärische Dominanz der USA und die Bedeutung des US-Dollars sind Schlüsselfaktoren im Kampf um die Vorherrschaft. Darüber hinaus ist das Vertrauen globaler Investoren in US-Institutionen wahrscheinlich immer noch viel höher als in chinesische Institutionen. Selbst die Präsidentschaft Donald Trumps konnte das nicht beeinträchtigen.

 

 

 

 

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